Schwüle Nacht

Liebchen, unten tief vom Tal
Leuchten Fenster, stolz und schmal,
Durch die Bäume und Rosen.
Hinter den Fenstern hin und her,
Tagesmüde und sorgenschwer,
Huschen die Ruhelosen.

Damen prüfen Geschmeid' und Tuch,
Kaufherrn ächzen am Kontobuch,
Diebe schleichen und beben -
Hoch am Himmel die kalte Pracht,
Erdensorgen und Sternennacht -
Liebchen, das ist das Leben!

Und wir beide, vom Wandern matt,
Schaun auf die schlaflos sich mühende Stadt,
Schauen hinauf in die Sterne.
Frühlingswunder, das uns geschah,
Bringt uns den schweigenden Himmel so nah,
Rückt uns die Erde so ferne.

Morgen, wenn alles die Sonne schmückt,
Gehn wir dort unten ernst und gedrückt -
Morgen, Liebchen, erst morgen!
Kommt der Abend dann sternenklar,
Sitzt hier oben ein anderes Paar
Hoch über unseren Sorgen ...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935

Expressionisten
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