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Rudolf Presber
Aus
zwei Seelen . 1. Auflage 1914
Sonniger Tag
Nun nehmt die Hände still bescheiden,
Ihr Dichter, von der Laute fort -
Seht ihr den Lenz die Flöte schneiden
Aus Schilfrohr auf dem Hügel dort?
Nun schämt euch oft gepries'ner Stärke,
Ihr Maler, löscht die Farben aus -
Der größte Künstler ist am Werke:
Der Frühling schmückt das Weltenhaus!
Vom Maienwunder überschauert
Beugt sich die Weide in den See,
Der Kirschbaum, der den Frost durchdauert,
Träumt blühend noch vom letzten Schnee.
Vom Fichtenaste zwitschern Meisen
Die Sonnenfreuden so beredt;
Und huldigend zwei Falter kreisen
Um schlanker Tulpen rotes Beet.
Und Kinderlieder auf den Straßen
Und warmes Licht auf Pult und Schrein -
Nun stellt mir Blumen in die Vasen
Und laßt die laue Luft herein!
Vor meinem Fenster in den Bäumen,
Der Wind spielt mit dem grünen Haar -
Ich will von jenen Tagen träumen,
Da jung ich wie der Frühling war.
Von jenen sonnereichen Stunden
Voll Vogelsang und Falterflug,
Da dieses Herz noch keine Wunden
Die Stirn noch keine Furchen trug;
Da ich, im Hoffen noch und Lernen
Ein Neuling, auf dem Hügel stand
Und lachend fühlte allen Sternen
Und allen Blumen mich verwandt;
Nicht trotzig mehr will ich ihn singen,
Wie einst, als schwärmender Scholast;
Ich will ihm meine Grüße bringen
Wie einem lieben, flücht'gen Gast.
Erinnernd soll er mich erquicken;
Nicht träumen mag ich mehr. Jedoch
Ich will ihm in die Augen blicken
Und leise fragen: "Weißt du noch?"...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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