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Aus zwei Seelen
162 Bücher



Rudolf Presber
Aus zwei Seelen . 1. Auflage 1914



Weh dem -

Weh dem, der aus des grellen Tags Getöse
Nie in die Stille dunkler Gärten flieht
Und - daß die Ehrfurcht ihm das Haupt entblöße -
Die Schatten toter Tage wandeln sieht!

Weh dem, zu dessen lärmbetäubten Ohren
Vergang'nes nie mit leisen Stimmen spricht,
Dem nie von Sternen, längst dem Aug' verloren,
Ein Schimmergruß noch durch die Nächte bricht!

Weh dem, der von des Mittags Glanz geblendet,
Mit heißem Werben noch das Heut' umfing
Und scheu die Blicke von der Halde wendet,
Wo seine Jugend durch die Blumen ging!

Und rühmt ein Volk das Feuer seines Mutes
Und hätte Frauengunst sein Kleid gewebt,
Der ist nicht stolz und nimmer edlen Blutes,
Der ohne Dank für seine Jugend lebt.

Wie glanzvoll auch dein Abend schlingt den Reigen
Und stehst du nur mit Edlen im Gefecht -
Die Toten sind in ihrem ew'gen Schweigen
An Vornehmheit ein unerreicht Geschlecht.

Nur wenn sich öffnen heil'ge Tempelwände,
Vor der Erinn'rung heißem Herzensschlag,
Faßt du in Ehrfurcht ihre kühlen Hände
Und lebst mit ihnen den verrauschten Tag.

Und hörst der Blütenglocken leises Singen,
Die längst gemäht auf deiner Tritte Spur;
Und träumst, wie kühn mit unbefleckten Schwingen
Einst deine Hoffnung zu den Sternen fuhr ...

Halt jedem Treue, der zur Tageswende
Schulter an Schulter tapfer mit dir ficht -
Der edlen Frau küss' dankbereit die Hände,
Die sanft zu dir von deiner Jugend spricht.

Und fühl's: daß in den Blumen, die zu Füßen
Dein Herz ihr streut, als Zeichen des Tributs,
Sie alle Freuden deines Lenzes grüßen
Und alle teuren Toten deines Bluts!...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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