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Rudolf Presber
Dreiklang
. 1. Auflage 1904
Die Insel der Träume
Blauer Wogen weiße Schäume
Gleiten sanft den Strand hinan ...
An der Insel meiner Träume
Legen keine Schiffe an.
An der Felsen rotem Scheine
Hat kein Aug' sich noch entzückt;
Und kein Fuß ward, als der meine,
Diesem Boden eingedrückt.
Seit der Erde Kindertagen
Blüht's auf dieser Felsenbank;
Keine Axt hat je geschlagen
Menschenweg in dies Gerank.
Edens Farben im Gefieder,
Das die Sonne leuchten läßt,
Singen Vögel Liebeslieder
Furchtlos schaukelnd im Geäst.
Freundlich äugen die Gazellen
Von den Wänden schroff und steil,
Nimmer von der Sehne schnellen
Hören sie den Todespfeil.
Und in keines Königs Gärten
Solcher Blumen Düfte wehn,
Die, von schillernden Lazerten
Flink umhuscht, im Tale stehn.
Wo sich heiß die Rosen röten,
Führt der stille Weg bergan.
Von der Menschen Markt und Nöten
Trennt mich weit der Ozean.
Leise tropft der Tau von Zweigen,
Tausend Kelche öffnen sich -
Und das alles ist mein eigen,
Und das alles blüht für mich!
Nackt die Brust im Winde, schreit' ich
Zu des Marmors weißem Haus,
Und die jungen Arme breit' ich
Dankend zu den Göttern aus.
Selig lächelnd darf ich lauschen
Und mit ungebognen Knien,
Wie sie hoch im Wipfelrauschen
Segnend mir vorüberziehn.
Hoch auf schimmernden Altären
Streu' ich Weihrauch in den Brand;
Von uralten Schöpfungsmären
Tönt die See und klingt das Land,
Bis in weite Himmelsräume
Still die Nacht die Sterne spann -
An der Insel meiner Träume
Legen keine Schiffe an...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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