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Rudolf Presber
Dreiklang
. 1. Auflage 1904
Die silberne Schale
Ich warte im blauen Saale,
Wo du Besuch empfängst.
Dort steht die silberne Schale;
Ich kenn' und schätze sie längst.
Hier reden geliebte Blättchen,
Geordnet kreuz und quer
Auf silbergetriebenem Bettchen,
Rühmend von deinem Verkehr.
Hier les' ich auf weißen Karten
Der großen Namen so viel,
Die deine Augen narrten
In Flirt und Tändelspiel.
Vornehme Herren und Damen
Mit Wappen am Kutschenschlag,
Die dich besuchen kamen
An manchem schönen Tag:
Der griechische Gesandte,
Ein General a. D.,
Von Bismarck eine Tante,
Ein serbischer Attaché;
Ein Don mit stolzen Titeln,
Valenzias Farben im Schild;
Ein Mann mit schönen Mitteln
Des Namens Vanderbilt;
Zwei Lords und vier Barone,
Ein Landrat aus der Provinz
Und, seh' ich recht? die Krone -
Gar ein lebend'ger Prinz!
Du ordnest - du bist ja so häuslich -
Die Kärtchen an jedem Tag -
Und meins versteckst du weislich,
Wenn's etwa oben lag.
Ich bin ja nur ein Dichter,
Kein Orden an Hals und Knie.
Mein Titel ein gar so schlichter:
"Doktor der Philosophie" -
Die Karte wie mein Wesen
In steiler deutscher Schrift.
Du hast sie mal gern gelesen,
Ganz gern, was das betrifft.
Heut hat sie vielleicht ein Rißchen
Und dann: sie paßt nicht hierher.
Wir haben uns bloß ein bißchen
Geliebt ... Wie lang ist's her!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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