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Und all' die Kränze ...
162 Bücher



Rudolf Presber
Und all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911



Aus alter Truhe

Verstaubte Truhen hab' ich aufgeräumt,
Die mir die gute Ahne hinterlassen -
Und lächelnd hab' ich mich hineingeträumt
In alte Häuser und in enge Gassen.
Sah das Gewühl der längst verlass'nen Stadt,
Stieg schmale Treppen aus dem Lärm der Straße
Und drückte mir die Kindernase platt
Am blaugefaßten Biedermeierglase.
Ein Glockenzug. Und eine Alte stand
Im Eingang: "Ei, der Bub kommt uns besuchen!"
Und in die gute Stube an der Hand
Zieht sie mich hin. Und runde Butterkuchen
Nimmt sie behutsam, daß kein Krümchen fällt,
Aus dem japanisch bunt gezierten Döschen
Und reicht mir hin: "Das schmeckt dir, Kleiner, gelt?
Laß nur nichts fallen auf dein Sammethöschen.
Hast du was Neues mitgebracht? Sieh da,
Ein Bild mit blauen und mit roten Stiften!"
(Sie lächelt. Farben waren's zum Vergiften.)
"Und als Geschenk gar für die Großmama?
Was stellt's denn vor? Je länger ich's betracht',
Je rätselhafter wird mir ..." - Und ich grolle
Und leg' den Kuchen hin, und würdevolle
Belehrung spend' ich ihr: "S' ist eine Schlacht.
Die Dicken hier, die mit den roten Hosen,
Die laufen, - siehst du, einer weit voran, -
Das sind natürlich - na, du weißt's - Franzosen.
Napoleon ... Verstehst du, bei Sedan.
Da oben auf dem Berg, der Mann in Blau,
Das ist der Kaiser - und das Gelb die Krone.
Mit seinem rechten Arm, Großmutter, schau,
Entzündet er grad' selber die Kanone.
Der Moltke hilft ihm, schüttet in das Loch
Das Pulver - bum - jetzt wird der Mörser krachen.
Großmutter, pfui! du mußt nicht drüber lachen ..."
Und ärgerlich in sich zusammenkroch
Der kleine Mann, und seines Fäustchens Ball
Lag auf dem Blatt. Großmutter beugt sich nieder:
"Mein großer, kleiner, lieber Feldmarschall,
Ich lach nicht mehr - und tu's gewiß nicht wieder.
So sieht sich's an, mein Kind, in deinem Jahr;
Und lernst du's erst in grauen Lettern lesen,
Dann wirst du langsam und erstaunt gewahr:
Ganz, ganz so einfach ist es nicht gewesen.
Und daß ein Kaiser auf dem Hügel stund,
Entschied die Schlacht nicht und den Völkerfrieden;
Es mußte harte Not zum neuen Bund
Die fremd gewordnen Blutsverwandten schmieden ...
Doch wart und laß den Dingen ihren Lauf.
Der Friede ruh auf deinen jungen Tagen.
Großmutter aber hebt die Blätter auf,
Drauf ihre Enkel blut'ge Schlachten schlagen.
Und wenn sie selbst schon in der Lade liegt
Und Gott hat ihrem Sammeln Halt geboten,
Dann magst du finden, wie du einst bekriegt
Mit deinen Blau'n, mein kleiner Kerl, die Roten.
Und dann vielleicht gedenkst du in der Nacht,
Wenn tiefe Stille deinem Haus beschieden,
Im Angesicht der bunten Kinderschlacht
Der alten Frau in ihrem ew'gen Frieden."


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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