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Rudolf Presber
Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
Die Ballade
Ernst Woldemar Tüpfel, der Dichtersmann,
Steckt' sich eine neue Zigarre an.
Er nahm ein blütenweißes Papier
Und schrieb:
"Ballade von ihm und ihr."
Der Titel war gut, voll Stolz und Gnade;
Fehlt nur noch das Weitre - die Ballade.
Und während er an der Zigarre sog,
Schloß er die Augen und erwog:
"Er" könnte ein Ritter... ein Herzog ...? nein,
Warum soll's nicht ein König sein?!
Balladen, wie gute Beispiele weisen,
Spielen meistens in höchsten Kreisen.
Ein König also! Das heißt: von was?
Zypern? ... Hm. Zypern - ein alter Spaß,
Aus Zypern, so denk' ich, ein König war
Bei Shakespeare, Fulda und Rudolf Lothar.
Ein König von Thule? Zwar Goethe ... Wie wär'
Die Sache mit Thule? Nein, zu populär.
Ein König, ein König ... nun kurzer Hand
Schreib' ich: ein König von Engelland.
Es hat zwar ein solcher so manche Ahnen
Bei Liliencron, Strachwitz, na, und bei Fontanen!
Doch spricht es sich stolz - und schwierig - und frei,
Und dann: von selbst ist ein Douglas dabei!
Der hat eine Tochter - zum Beispiel "Marie",
Vortrefflich, da wären ja "er" und "sie"!
Was weiter?
Er kaut die Zigarre weich.
Der Douglas fügt sich nicht alsogleich.
Warum?... Warum - der alte Zopf!
Ein Douglas hat halt seinen eignen Kopf.
Ist anders wie andre, ob nimmt er ob gibt;
Das macht für Balladen ihn gar so beliebt.
Marie - sie kennt ihre Kindespflicht,
Sie liebt, doch Herr Douglas, der will das nicht.
Dem König das Herz und das Schwert und das Blut -
Die Tochter bloß ist ihm dafür zu gut.
So sind halt die Douglas... Der Dichter sinnt,
Was er mit Marie und dem König beginnt.
Zunächst, wie wär's -? der König begehrt
Eine Locke. Die schneidet des Douglas Schwert.
Der bringt sie persönlich - oder ein Knecht ...?
Zum Teufel, das Rauchkraut brennt nicht recht!
Wo ist denn ein Streichholz ... Er beugt das Knie,
Der Douglas nämlich, und grüßt von Marie.
Der König aber trotzt und prunkt
Und spricht...? Nun käme der Höhepunkt!
Ein drittes Streichholz, das verpufft...
Nicht doch, er wirft sein Schwert in die Luft,
Der König. Und äußert ...? Hol's die Pest,
Wie man einen König reden läßt
Zu einem Douglas, so einfach ist's nicht...
Ein weit'res Streichholz...
Der König spricht:
"Douglas, du rittst auf dem Rappen ein - -"
Ein Rappe? Es könnt' auch ein Schimmel sein?
Noch besser ein Zelter. Ein Zelter? ... nicht jetzt.
Auf den wird später die Tochter gesetzt.
Also der König spricht: "Douglas, Vasall!
Du hast viel Rosse in deinem Stall,
Ist keins darunter, dein König frägt,
Das zu Hof die Tochter des Douglas trägt?
Hier halt' ich ihr goldrot- goldenes Haar,
Wie Flachs so weich, wie Seide so klar.
Dies Haar - -" Und mitten im Königswort
Wirft der Dichter grimmig den Bogen fort.
Er greift einen andern. Zorn bläht seine Nase:
"Herrn Emil Pachulke, Zimmerstraße:
Ihre werten Zigarren von neulich
Sind alle abscheulich!
Sie ziehen nicht und kohlen dazu
Schief, wie ein polnischer Judenschuh.
Die wuchsen bei Durlach irgendwo,
Doch nicht in Havanna und Borneo!
Von all den Rippen im bröckelnden Kraut
Hätt' leicht sich ein Sioux den Wigwam gebaut.
Und jetzt schon in der dritten war,
Donnerwetter - ein Weiberhaar!"
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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