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Rudolf Presber
Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
Dorian Gray
Ein edler Geist, der früh sich selbst verlor,
Den mit der Blumengeißel Stachelhieben
Die Lust gepeitscht durch dunkler Qualen Tor,
Hat uns ein wunderseltsam Buch geschrieben.
Schrieb's mit der läss'gen glückverwöhnten Hand,
An der des Ostens schönste Steine glommen -
Genießern Spiegel, Ärgernis den Frommen,
Und eigner Leiden lohen Fackelbrand.
Von edlem Blut, in Schönheit glückbestrahlt,
Wagt diesen Zauberwunsch ein kecker Knabe:
Daß in sein Bild, von Meisterhand gemalt,
Sich jede Wunde seiner Kämpfe grabe;
Daß jede Narbe, die dem Leib gebührt,
Den Leidensstempel in sein Bildnis klebe,
Derweil er selbst im ew'gen Sommer lebe,
Vom Herbst, dem Blütenmörder unberührt.
Und unerschöpft von Lust zu Lust gehetzt,
In wilder Tage ew'gem Auferstehen,
Gebiert sein Frevelmut den Wunsch zuletzt:
Dem langgemied'nen Bild ins Aug' zu sehen.
Und wie der Vorhang schwer zur Seite wallt,
Schaut er sich selbst gebrechlich und verbogen,
Mit gelber Haut die Knochen überzogen,
Verbuhlten Alters scheußliche Gestalt.
Den nie Verzagten schlägt erschauernd solch
Infames Höllenblendwerk mit Entsetzen;
Er tastet nach dem Toledanerdolch,
Den Hohn auf seine Menschheit zu zerfetzen.
Er taumelt nach der Fratze, zorneswild,
Im Flackerscheine trügerischer Kerzen - -
Der Diener findet ihn, den Stahl im Herzen,
Greis und verwelkt ... In Schönheit strahlt das Bild ...
So lesen wir's. Ein Werk voll Hohn und Glut,
Voll Spötterhaß und heißem Eigenlieben;
Ein Märchen, das kokett mit rotem Blut
Ein Snob, ein Dandy, ein Genie geschrieben.
Als ob im keck bizarren Prunkgefäß,
In steinbeladner, goldgeschnitzter Wiege
Ein armes Menschenherz verzuckend liege -
So grüßt uns dieses "Bildnis Dorian Grays" ...
Weh ihm, dem nirgends seiner Jugend Bild
An dunklen Wänden will als Tröster taugen,
Das aus dem Rahmen schweigend mahnt und schilt:
"Bleib wert des reinen Blickes meiner Augen!
Die Kette deiner Tage führt zu mir;
O schäme nimmer dich zurück zu tasten.
Und sank dein Rücken unter Druck und Lasten -
Einst war ich du. Geduldig wart' ich hier!"
Und weißt du nicht solch Bild an ernsten Wänden,
Geh zu dem Weib, das dir den Lenz geschmückt,
Und berge still in ihren guten Händen
Dein heißes Haupt, von Kränzen wundgedrückt.
Lösch alle Lichter deiner Eitelkeit
Und deines Hochmuts jämmerliche Kerzen
Und find verwahrt in diesem Frauenherzen
Dein heilig Bild vor allem Sturm der Zeit...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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