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Rudolf Presber
Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
Drachen
Denkst du noch vor manchen Jahren,
Wenn - des Sommers Epilog -
Heim das letzte Korn gefahren
Und der Wind durch Stoppeln flog?
Wenn die Weide müd sich neigte
Auf des Baches Spiegelglas,
Und die Grille leiser geigte,
Die versteckt in Furchen saß?
Hei, war das ein Laufen, Lachen,
War der Tag auch kühl und rauh -
Hoch in Lüften unsre Drachen
Schaukelnd bohrten sich ins Blau.
Hei, wie unser Herz sich freute,
Wenn als leichten Wolkenpflug
Kecker Wind die bunte Beute
Höher, immer höher trug.
Und zu Himmelspromenaden,
Wenn er still im Äther hing,
Ließen lockrer wir den Faden
Unsrem leichten Schmetterling.
Unser Stolz gab ihm Geleite,
Träumt sich seinesgleichen schon,
Da - ein Ruck - und der Befreite
Segelt fessellos davon ...
Nimmer haben wir gefunden
Den verwegnen Himmelsgast;
Oder, ach, er hing zerschunden
Irgendwo am Pappelast.
Seiner Rippen dürre Stecken,
Müd umraschelt vom Papier,
Scheue Krähen nur zu schrecken
Tauglich schien der Ärmste mir.
Heimwärts mit gerümpfter Lippe
Zogen schweigend wir ins Land;
Eine abgeriss'ne Strippe
In geballter Bubenhand ...
Kühle Weisheit ward mein eigen,
Die des Lebens Schule pflegt;
Keine bunten Drachen steigen,
Wenn der Herbst die Stoppeln fegt.
Aber wie viel kühne Pläne,
Hold von Hoffnungen beschwert,
Zogen hin als Wolkenkähne,
Deren keiner wiederkehrt.
Stets betrogner Menschensippen
Echtes Kind im Unverstand,
Halt' ich abgeriss'ne Strippen
Alle Tage in der Hand ...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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