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Und all' die Kränze ...
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Rudolf Presber
Und all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911



In des Herrgotts großem Garten

In des Herrgotts großem Garten
Ging es leidlich tausend Jahre,
Niemand schien auf mich zu warten,
Wie ich recht erstaunt erfahre.
Mancher helle Lenz erblühte,
Mancher Winter trug die Bürde,
Keiner frug, wie mein Gemüte
Darauf reagieren würde.
Keiner unter all den Toren
Frug, was ich erlebt, gesündigt -
Denn - ich war noch nicht geboren,
Ja, noch nicht mal angekündigt.

Hei, das war ein Schädelspalten,
Völker gruben sich die Grube;
Weise planten, warm gehalten,
Still in der Gelehrtenstube;
Haß und Neid schlug grimme Wunden,
Zwerge fochten gegen Riesen;
Und so manches ward erfunden,
Das als nützlich sich erwiesen.
Kreuze wurden roh gezimmert,
Kranz und Krone ging verloren - -
Aber mich hat's nicht gekümmert,
Denn ... ich war noch nicht geboren.

Und in tausend Jahren wieder,
Davon darf ich überzeugt sein,
Wird im Frühling holder Flieder
Von der Blütenlast gebeugt sein;
Werden über grüne Wiesen
Frosterlöste Wellen springen;
Werden Rosen sich erschließen,
Werden Nachtigallen singen;
Werden Liebende spazieren
Durch des Lenzes gute Gaben -
Mich bloß wird es nicht tangieren,
Weil ich nämlich ... längst begraben.

Taumelnd hin von Sieg zu Siegen,
Nach Belehrung seiner Weisen,
Wird der Mensch die Luft durchfliegen,
Wird der Mensch den Pol umkreisen.
Nicht durch Sprachen mehr geschieden,
Nicht gehindert mehr von Grenzen,
Wird im nie gebrochnen Frieden
Er sich freun an reichern Lenzen.
Und die Welt wird minder schal sein,
Kühnrer Träumer stärkre Wiege - -
Bloß mir selber kann's egal sein,
Weil ich längst im Zinksarg liege.

Wie sich auch das Leben dehnte
Für die Völker im Vereine,
In die vier bis fünf Jahrzehnte
Preßt sich leider bloß das meine.
Kränze von der Ahnen Feten
Haben jene mitgenommen;
Und was helfen mir Kometen,
Die in tausend Jahren kommen?
Die Historien toter Lüste
Lassen sich erbaulich lesen -
Küsse, die ich selber küßte,
Sind hingegen mein gewesen.

Und so steht mein närrisch Herze,
Mein verderbtes, mein profanes,
Auf dem Standpunkt (ohne Scherze!)
Des pariserischen Hahnes,
Will die Sonne auch gewöhnlich
Ohne Ansehn allen dienen,
Fass ich ihren Glanz persönlich:
Daß sie mir allein geschienen;
Daß sie mir den Frühling geben
Wollt' mit allen seinen Rechten;
Und ein Festtag sei mein Leben -
Zwischen ewig langen Nächten.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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