162 Bücher
|
Rudolf Presber
Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
So soll's kommen!
Das Greisenalter, so sagen die Jungen,
Ein übermütiges lockeres Völkchen,
Ist eine der häßlichsten Einrichtungen.
Paff - blasen sie Zigarettenwölkchen
Und schauen nach den zerfließenden Kreisen
Mit der ernsthaften Stirn der sieben Weisen.
Denn erstens: im Augenwinkel die Träne
Ist häufig, von wegen der schlappen Drüsen;
Und zweitens: es fehlen zum Beißen die Zähne;
Und drittens: es können die Mädels, die süßen,
Nun einmal seit grauen Tagen nicht leiden
Der runzligen Hände Zärtlichkeiten.
Und viertens: die Knochen sind spröde und splittern
Und sitzen nicht mehr recht fest in den Pfannen;
Und fünftens: die schrumpligen Finger zittern,
Wenn sie den grünen Römer umspannen.
Und sechstens: ein Tropfen, ein köstlicher gelber,
Vom Rhein ist verboten. Bloß China und Eisen!
Und siebtens: die Liebe verwehrt sich von selber;
Und achtens: hat man gewöhnlich das Reißen.
Und neuntens: es wachsen zu köstlichen Zielen
Nicht mehr, wie früher, die Seelenflügel;
Und zehntens: es liegen die meisten Gespielen
Schon schweigend und wartend unter dem Hügel.
Und elftens: es will auf Märkten und Gassen
Das neue Leben uns gar nicht passen.
Die neuen Sitten, die neuen Lieder
Sind uns recht in der Seele zuwider.
Und zwölftens: wir sitzen so viel allein
Und sollen immer ein Beispiel sein;
Und müssen über die einst'gen Vergnügen
Entweder schweigen oder - lügen,
Damit die lockre Jugend glaubt ...
Und letztens - und letztens - na, überhaupt!
So schwatzt die Jugend, im Stuhle sich rekelnd,
Und schaut die zerfließenden Wölkchen sich an.
So schilt sie, die eigne Zukunft verekelnd,
Dann geht sie zum Tennis und denkt nicht mehr dran.
Mich aber, mich macht nicht trist und beklommen
Ihr mäkelndes, höhnendes Prophezein.
Ich guck' in die Sterne und denk' mir halt: Nein,
Es kann am Ende auch anders kommen!
Und wenn an meinen fröhlichsten Jahren
So manche Dinge zu schelten waren,
Und hab' ich vielleicht auch da und dort
Zu lange hinter der Flasche gesessen,
Zu unbedacht geredet ein Wort,
Zu rasch ein zärtliches Liebchen vergessen;
Ich denk' halt doch so dann und wann:
Ich werd' ein ganz netter alter Mann.
Denn eines hab' ich mir vorgenommen:
Wenn zu mir mal die Jungen und Wilden kommen
Und haben mir aus gar nicht leichten,
Aus heißen Herzen 'ne Dummheit zu beichten,
Ich jag' sie nicht weisheitsstolz von der Tür:
"Pfui Deubel! Wie ich so alt war, wie ihr...!"
So will ich trotz Hetzern und Ohrenbläsern
Mir friedlich adeln den späten Verzicht
Und in der Vision noch von Rheinweingläsern
Mir ehrlich begründen mein Recht auf die Gicht.
Und will mich geängstigt die Jugend umschmeicheln
Und flüchten zu meiner Greisenruh,
Will ich erinnernd die Locken ihr streicheln
Und lächeln: wie ich so alt war, wie du ...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
|
|