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Rudolf Presber
Und
all' die Kränze ... . 1. Auflage 1911
Zwiegespräch mit einem Vergessenen
Gestern war wieder mal so ein Tag,
Wo mir die Welt recht im argen lag.
Draußen tröpfelt' es müd von den Ästen -
Und das Frühstück war nicht vom besten.
In den Blättern unter dem Neuen
Wenig, ein ehrliches Herz zu erfreuen;
Wenig "Völkisches" - viel Verstimmtes,
Spärlich Fröhliches - viel Ergrimmtes,
Viele unerquickliche Chosen
Mit entrüsteten Redesaucen.
Und in meines Häuschens Stille
Sah ich die Zukunft durch düstere Brille;
Sah von müden Interesselosen
Große Gedanken zur Tiefe gestoßen,
Sah die Menschen an allen Ecken
Nur nach Profitchen die Hälse recken,
Sah das Leichteste oben schwimmen
Und hörte des Pöbels Beifallsstimmen.
Andre mögen fluchen und beten -
Ich bin an meine Bücher getreten;
Nahm mir, ohne mich viel zu bedenken,
Recht so ein altes aus hohen Schränken,
Ohne zu wissen: was und von wem;
Setzte mich in den Sessel bequem,
Blies den Zigarrenrauch über die Lettern
Und begann zu schmökern und blättern.
Denn für Ärger der beste Besen -
Häufig erfuhr ich's - ist: lesen, lesen.
Siehe, aus dem vergilbten Buche
Kam ein Tröster mir zu Besuche;
Ach, gewiß ein längst vergeßner,
Aber ein noch von Freude beseßner,
Der - so fand ich's im Lexikon -
Anderthalb Jahrhunderte schon
Irgendwo an vergeßnen Wegen
Schläft dem jüngsten Gericht entgegen.
Alles was er in Versen geschrieben,
Ist ein bißchen kindlich geblieben;
Himmelstürmend nichts, noch gigantisch,
Eher ein bißchen brav-dilettantisch.
Schüchtern von spärlichem Witz verbrämt -
Und ich habe mich doch ... geschämt.
Denn aus mühsam gereimtem Gedicht
Sprach so köstliche Zuversicht;
Sprach ein Hoffen, Raunen und Lachen:
Daß wir Enkel es besser machen;
Daß wir, was damals in Stadt und Staat
Eingesenkt ward als Zukunftssaat,
Finden möchten als strotzende Ähren
Und uns als tüchtige Schnitter bewähren.
Leise schloß ich das Büchlein zu.
Das war ein Dichter - dacht' ich - und du?
Reime mögen dir besser gelingen,
Leichtere Lieder magst du singen,
Und zuweilen in hübscher Frauen
Äuglein schillernde Pointen erschauen,
Aber die erste Poetenpflicht
Ei, wo blieb sie, die Zuversicht?
Mag das Schifflein mal schaukeln und schwanken,
Nur der Philister hat Schiffbruchsgedanken -
Sieh auch im Sturm aus Proben und Zeichen:
Planken tragen dich deutscher Eichen,
Und, zu trotzen Wettern und Winden,
Steuermänner werden sich finden!
Bläst der Sturm auch sein tückisches Stück -
Glaub an dein Volk, seine Kraft und sein Glück!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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