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Rudolf Presber
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in vita . 1. Auflage 1902
Poetenwunsch
Ich habe der Wünsche, der Wünsche so viel -
Fürwahr das ist kein Kinderspiel!
Ich möchte so gern, so gern noch erleben,
Daß alle die Bäume Früchte geben;
Daß alle die Blumen, die ich gepflanzt,
Duften, von lachenden Menschlein umtanzt.
Ich ginge, die Hände bequem auf dem Rücken,
Zwischen den Frohen mit stillem Entzücken,
Holt' mir die Mutwilligen von den Beeten:
Artig sein, nicht auf den Rasen treten!
Dann wieder wünscht' ich beim vollen Glas
Mir die schönsten Weiber des Padischahs;
Die sollten mir tanzen mit nackten Füßen,
Mit zärtlichen Händchen mir winken und grüßen;
Die sollten schmeicheln den fiebernden Sinnen,
Weißarmige, schlanke Georgierinnen;
Die sollten singen von Nacht und Genuß,
Die zitternden Blumen des Kaukasus!
Und wieder wünscht' ich, ich führ' übers Meer,
Den Wind in den schimmernden Segeln, daher.
Dort lockt mich ein Garten, dort lockt mich ein Haus,
Und rasselnd werf' ich die Anker aus
Und greife mir Blüten vom prangenden Baum
Und kränz' meine Liebe und schmück' meinen Traum.
Und wie bei der Nymphe Odysseus saß
Und Meer und Heimat und Krone vergaß,
So pfleg' ich der Liebe, genieß' ich der Rast,
Der lenzigen Insel glückseligster Gast.
So hab' ich der Wünsche, der Wünsche so viel -
Fürwahr es ist kein Kinderspiel!
Und manchmal ... manchmal wünscht' ich bloß:
Ich gewänne heute das große Los
Zu Lust und Last meiner lachenden Erben
Und könnte mich morgen legen und sterben.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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