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Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



Das Lob der Faulheit

Viel tausend schöne Lieder klingen
Dem Fleiß des Strebens und der Kraft;
Ich will das Lob der Faulheit singen,
Die tausend stille Wunder schafft.
Das wär' ein Leben ohne Trübung,
Das wär' ein gar behaglich Ruhn -
Doch leider braucht es vieler Übung,
So recht nach Kräften nichts zu tun.

Nach fremder Ehr' und fremdem Gelde
Geizt eine rechte Faulheit nie;
Und wie die Lilie auf dem Felde
In Sonn' und Wetter dauert sie.
Sie kümmert gestern nicht, noch morgen;
Sie ißt und schläft und sammelt Fett;
Und ihres Nebenmenschen Sorgen
Belächelt sie vom Lotterbett.

Die Faulheit ist von Herzen ehrlich,
Weil Lügen Zeit und Kräfte frißt;
Die Faulheit wird nicht staatsgefährlich,
Weil jeder Umsturz mühsam ist.
Fromm ist die Faulheit ohne Frage,
Unnahbar allem Ketzerwahn;
Denn vor dem ersten Schöpfungstage
Hat selbst der Herrgott nichts getan.

Und wie ich klügle auch und sinne,
Die eine Lösung find' ich bloß:
Die Faulheit war am Urbeginne
Doch alles Wirkens Mutterschoß.
Und aller Nöte, Ängste, Schrecken
Endziel wird einst nach Müh und Pein,
Wenn wir die müden Glieder strecken,
Ein Ruhe sanft! in Faulheit sein.

Drum das moralische Entsetzen
Versteh' ich nicht, als Fatalist;
Was soll ich mich denn ewig hetzen,
Wenn doch der Schlaf das Ende ist?
Der Schlummer wird mich doch besiegen,
Der Traum ist doch mein letztes Los -
So bleib' ich gleich freiwillig liegen
Und spare die Bemühung bloß.

Ich weiß ja doch: der hat geackert,
Der Nachbar, der bei Tag und Nacht
Sich für die Nächsten abgerackert
Und selten nur an sich gedacht,
Der liegt demnächst an meiner Seite,
Noch müd vom letzten Spatenstich,
Im Schatten einer Trauerweide
Und ist so still und steif, wie ich...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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