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Gedichte, Lyrik, Poesie

Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



Der Garten der Toten

Fern die Stadt mit ihren harten
Mauerlinien, glanzerhellt -
In der Toten dunklen Garten
Tret' ich aus dem Rausch der Welt.
Alles schläft hier, Wunsch und Wille,
Heißes Hoffen, wilder Schmerz;
Und es schlägt die heil'ge Stille
Sanft den Mantel um mein Herz.

Dort in goldverwaschnen Lettern
Bleicht ein Ruhm in Marmelstein,
Drüben sinkt in morschen Brettern
Still das Kreuz der Armut ein.
Namenlos ein Hügelstreifen,
Den der Efeu karg umspinnt,
Drüber bauscht verblaßte Schleifen,
Müden Segeln gleich, der Wind.

Fromme Sprüche sind zu lesen
Über Namen, nie gehört -
Alle sind geliebt gewesen,
Alle hat die Welt betört.
Alle, stolz im Erdenkleide,
Haben sich ein Glück entdeckt,
Alle haben, müd vom Leide,
Lächelnd hier sich ausgestreckt.

Einmal in der Freuden Schwalle
Kränzt ein Frühling jedes Haupt;
Einmal, einmal haben alle
Unentbehrlich sich geglaubt.
Als sie dann mit fahlen Wangen
Still ihr letztes Bett gedrückt,
Ist's auch ohne sie gegangen,
Hat ein neuer Lenz beglückt.

Schlotternd schieden welke Greise,
Kinderblüten sind verdorrt -
Im gewohnten Äthergleise
Rollt die alte Erde fort.
Und ich grüße hier im Garten,
Wo die welken Astern stehn,
Brüder, die mich längst erwarten,
Schwestern, die mich wiedersehn.

Unter dieser Erde Söhnen
Rast' ich, die der Tod besiegt;
Und die kahlen Weiden stöhnen,
Die des Winters Atem biegt.
Magst du zu nichts andrem frommen,
Schleifenspieler, Gräberwind,
Hast du doch den Wahn genommen:
Daß wir unentbehrlich sind.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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