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Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



Der grüne Zweig

Von Wunderblumen lebt in alten Sagen
Der Väter wohl ein Klingen hohen Ruhms;
Mit ihren zarten Blütenstengeln schlagen
Die Zauberer das Tor des Heiligtums;
Dann dreht sich knarrend in der güldnen Angel
Die hohe Pforte - vor den Augen liegt
Der Erde Schatz, zu dem im Traum der Mangel
Verarmter Herzen oft die Nacht durchfliegt.
Das funkelt von Rubinen, Amethysten,
Bei edlen Perlen schimmert der Topas -
Ein Schatz, wie niemals ihn der Herr der Christen,
Kein Sultan ihn im Morgenland besaß.

Die Blumen, ach, die solche Tore sprengen
In eines spruchgewalt'gen Zaubrers Hand,
Die blühn nicht mehr an dieser Erde Hängen;
Sie duften weit nur aus der Märchen Land.
Sie grüßen her aus frühlingsfernen Tagen;
Es starb der letzte wunderkund'ge Greis.
Der Enkel kennt nur Arbeit und Entsagen,
Und einz'ger Menschheitszauber blieb: der Fleiß.
Der sprengt der Felsen Trotz und dämmt die Meere,
Senkt in die Erde neuer Saaten Keim;
Und in die Zukunft wirft er seine Speere,
Und statt der Schlösser baut er sich ein Heim...

Und doch: ein Zweiglein, das zum Traum zu adeln
Die Welt vermag, kenn' ich im deutschen Wald;
Auf dessen schlichten, immergrünen Nadeln
Der Winter jetzt die weißen Flocken ballt.
Der du mit Weihnachtsdüften eingeschrieben
Dem deutschen Herzen deine Lichterspur,
Der du den schlanken Nadelzweig getrieben,
Als froh der Mai durch junge Lande fuhr,
Der du herabschaust auf den Schlaf der Felder
Und Winterstürmen dich zu trotzen mühst,
Du Heimatbaum geliebter Frankenwälder,
Du Freund der fernen Kindheit sei gegrüßt!

Ich brech' behutsam mit den harten Händen
Ein Zweiglein mir aus deines Wuchses Grün -
Da will ein Glanz die feuchten Augen blenden,
Und alle meine Lichterbäume glühn.
Von tausend Ästen sprüht ein Glast und Glimmen,
Wie es dem Fest nur heil'ger Nächte frommt,
Es jubelt leis von hellen Kinderstimmen -
Und meine Jugend, meine Jugend kommt!
Nicht lärmend laut, im Schwarm der Becherschwinger,
Allein und leise, wie das Glück nur schlich;
Sie nimmt mein Herz in ihre zarten Finger,
Küßt mir die Stirn und flüstert: Kennst du mich?

Und hinter ihr in lichten Schleiern wallen -
Nicht blasse Schemen - leuchtend und beglückt,
Die vor mir schon im Lebenskampf gefallen,
Die mir in Liebe einst den Baum geschmückt.
Und mein wird alles, was ich je besessen,
Und sichtbar wird, was je mein Auge sah;
Nichts ist verloren mehr und nichts vergessen
Von allem, was in Liebe mir geschah.
Von Dankbarkeit erhellt, durchtönt von Wehmut,
So breitet sich zum Festsaal mir das Haus -
Und über allem liegt die schlichte Demut:
Auch du bist Licht, ein Windhauch löscht dich aus.

Die heil'ge Nacht, in ihren schwarzen Schwingen
Hat sie viel Sterne wunderhell gespannt;
Von fernher hör' ich die drei Kön'ge singen,
Die Krippe suchend, aus dem Morgenland.
Mir wird so kindergläubig, und ich neige
Das Haupt, von Schauern leis die Brust durchbebt -
Das ist der Zauber grüner Tannenzweige,
Der alle Heidenwunder überlebt.
Nicht mit der Weisheit andrer Völker rechten
Will meine Hoffart. Jeder liebt, was sein.
Doch dünkt es mich: man muß in solchen Nächten
Einmal ein deutsches Kind gewesen sein...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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