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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Die Mutter
Was warst du ein hübscher, ein zärtlicher Junge-
Jahre um Jahre zerrannen, und doch
Auf deinem Holzpferd im Schaukelschwunge
Hör' ich dein jauchzendes Lachen noch!
Klopfte der Abend leis an die Scheiben,
Stiegst du von deinem scheckigen Tier,
An meinen Knieen dein Köpfchen zu reiben:
"Mütterchen, sag doch, darf ich bleiben
Immer bei dir?"
Nun hast du dich weit in die Welt verloren -
Deine Freuden bleiben mir stumm.
Schlägst dich tapfer mit Tücken und Toren
Und den Nöten der Erde herum.
Abends, wenn auf den herbstlichen Wegen
Unseres Gärtchens die Dämmerung schleicht,
Wenn sich die Birken biegen im Regen,
Muß ich das Ohr an die Türe legen -
Kommt er vielleicht?
Wildschöne Weiber werden dir winken.
Von den entweihten Lippen der Lust
Wirst du, mein Starker, das Gift dir trinken,
Das dir im Krampfe zerfrißt die Brust.
Aber wenn du, genarrt und verlassen,
Satt aller Lüste und müde der Gier,
Taumelst durch leere, lichtlose Gassen,
Fühl' es, wie heimliche Hände dich fassen -
Flüchte zu mir!
Und hat dich dein Kinderglaube betrogen,
Stirbt an den Himmeln der goldene Schein,
Und haben dir deine Priester gelogen,
Stürzen die Tempel der Seligen ein -
Siehe, ich bin vorausgegangen
Und steh' an der strahlenden Himmelstür,
Harrendes Hoffen färbt mir die Wangen -
Und will dich kein Gott und kein Engel empfangen,
Dann kommst du zu mir!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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