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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Du lebtest da draußen irgendwo...
Du lebtest da draußen irgendwo -
Sie lächeln und tuscheln und reden so.
Der eine sah dich über den Schnee
Im läutenden Schlitten fliehen;
Der andre im Chambre séparée
Auf eines Prinzen Knieen.
Ein Prahler rühmte sich dreimal dreist:
"Ich habe ihr Blut getrunken;"
Ein Mitleidsvoller sprach leise: du seist
Gesunken, gesunken, gesunken...
Du liebtest da draußen irgendwen -
Sie flüstern und tuscheln, wenn sie mich sehn.
Der eine beschwichtigt: er vergißt,
Wie wir halt alle vergessen;
Ein anderer zischelt: wie blaß er ist,
Als hätt' er im Kerker gesessen;
Ein dritter zwinkert: er trägt ihr Tuch
Noch heimlich über dem Herzen;
Ein Praktiker wispert: er macht ein Buch
Aus seinen heimlichen Schmerzen.
Du sprächest da draußen schlecht von mir -
Sie wispern's beim Tee, sie gröhlen's beim Bier.
Ich laß mir nimmer von Lug und List
Ins Herz die Zweifel säen.
Ich weiß, daß du mir gestorben bist -
Wie kann eine Leiche mich schmähen?
Ich weiß, daß ich dich, Herrliche, hab'
Geliebt wie keine, wie keine,
Und schmücke mit Liedern dein einsames Grab
Und grüß' deinen Schatten und weine.
Sie reden: du kämst einst liebeleer,
Verarmt und elend wieder daher -
Ich weiß, daß nimmer das Wunder geschieht.
Doch kommt mit zerfallenen Wangen
Je eine, die dir ähnlich sieht,
Durch Winter und Öde gegangen,
So klopfe sie an, so trete sie ein,
So mag sie sich wärmen und laben -
Mir soll das Gedächtnis heilig sein
An eine, die ich begraben...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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