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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Ein neues Jahr
Mit frischen Lippen, roten Wangen,
Die Weihnachtsflöckchen noch im Haar,
So kommst du, Bürschlein, uns gegangen;
Schon gut - du bist das neue Jahr.
Ein Böllerschuß - und der Philister Winkt:
"Einen Tusch, ihr Musici!"...
Du hattest, ach, so viel Geschwister,
Wer spricht davon - wer denkt an sie...
Und alles will vor Freude rasen,
Hausherr und Gäste und Gesind;
Es herzen neckisch dich die Basen:
"Ach Gott, ist das ein süßes Kind!"
Und aller Herz ist dir erschlossen,
Als wär's ein Segen, daß du nahst;
Mit Prickelsekt wirst du begossen,
Bevor du noch die Sonne sahst.
Und ich?... Mir scheinst du halb ein Schemen,
Halb Baby noch im Wickelband;
Doch in die Männerhände nehmen
Möcht' still ich deine Kinderhand.
Und während rings die Allzufrechen
Lobhudeln dich mit Schwärmerglut,
Möcht' ich ganz leise zu dir sprechen:
Nun wachse, Kind, und bleib mir gut!
Will nicht bestürmen dich mit Bitten
In Gier und Habsucht, kleiner Gast;
Nicht wild und töricht sollst du schütten,
Was du in deinem Füllhorn hast.
Bescheidner Dank scheint mir geboten,
Wenn freundlich schon der Schornstein raucht;
Das tolle "Glück" ist für Idioten,
Ein Kerl erkämpft sich, was er braucht.
Drum das Gedächtnis meiner Narben
Laß mir im Herzen nicht vergehn
Und laß mich die bescheidnen Garben
Von meines Fleißes Saaten sehn.
Gib für den Kampf mir gute Waffen,
Erhalte mir das Wappen rein,
Und in die funkelnden Karaffen
Gieß mir zum Festtag deutschen Wein!
Zeig mir im Frühlingsgrün die Auen
Und lehre mich mit Schmeichellist,
Daß in den Herzen schöner Frauen
Noch Platz für meine Lieder ist.
Gib Sonne meinen Blütentrieben,
Erprobe meinen Mut im Strauß
Und führe Menschen, die mich lieben,
Am dunklen Abend in mein Haus!
Gib mir die Sanftmut nicht der Lämmer,
Mach mich in Trübsal nicht zum Weib;
Behüte mich vorm Bauch der Schlemmer
Und laß mich schlank an Seel' und Leib.
Zeig mir den Weg, doch nicht sein Ende,
Laß meine Träume unzerzaust,
Öffne dem Schwachen meine Hände
Und ball dem Hasser meine Faust!
Gib mir ein Ohr, das hart und steinern,
Wo je der Basen Klüngel schwätzt,
Wo meine Neider mich verkleinern
Und - wo ein Tor mich überschätzt.
Laß meiner teuren Toten Wallen
Mir leuchtend durch die Seele gehn,
Und laß auf ihren Piedestalen
Mir meiner Jugend Götter stehn!
Gib mir im bunten Maskentreiben
Das wache Aug', den reinen Sinn
Und laß mich treu mir selber bleiben,
Damit ich's auch den andern bin.
Und wenn sie mir mit Zorn und Schreien
Der Narrheit dicke Seile drehn,
Dann laß mich lächelnd mich befreien
Und aufrecht meiner Wege gehn.
Und daß ich noch das Beste lerne:
Trag mir des Frohsinns Fackel vor,
Zeig tief mir in der Dinge Kerne
Den Menschentröster, den Humor.
Und schätzt, enttäuscht von deinen Gaben,
Der Schwärmertroß dich einst gering,
Dann laß mich dankbar dich begraben,
Wie ich dich hoffnungsvoll empfing...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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