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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Gespräch mit meinem Pudel
Ich sprach zu meinem Pudel: "Mohr,
Du kommst mir heut so betriebsam vor.
Guckst so verschmitzt von der Seite und
So stolz, wie dein Vetter, der Kanzlerhund.
Sonst bin ich gewöhnt, daß du schnaufend ruhst,
Den bärtigen Kopf auf den schwarzen Pfoten,
Und seitlich äugend beleidigt tust,
Wenn ich mal ,Kratz dich nicht!' geboten.
Heut ist das ein Schnuppern und ein Rumoren,
Und zärtlich kommst du daher, wie nie,
Und legst mir die seidenweichen Ohren
Plötzlich vertrauensvoll aufs Knie.
Ist was Besondres, so wie ich dich kenn' -
Mohrchen, mein Freund, was willst du denn? -"
Und das zottige Schwänzlein wiegend,
Recht wie ein lustiges Fahnenband,
Und das dreieckige Köpfchen schmiegend
Fest und warm in die schmeichelnde Hand,
Sieht mir mein Freund, mein schwarzgelockter,
Recht verschmitzt ins erstaunte Gesicht:
"Nun erschrick nicht, mein Herr und Dokter,
Wenn dein Pudel mal menschlich spricht!"
Nun erschrick nicht - er hat gut reden!
Hätt' ich's auch furchtlos angestrebt,
Menschen sind wir, es gruselt jeden,
Der bei Nacht solch ein Wunder erlebt.
Bileams Esel - na ja, natürlich
Kenn' ich das redebegabte Vieh;
Aber schließlich, ich nahm's bloß figürlich
Und als biblische Poesie.
Jetzt...ein Pudel...im eignen Hause,
Im Jahrhundert der Skepsis - ach nein,
Jeder Vernünftige wird mein Grausen
Schon a conto der Nerven verzeihn.
Aber das Staunen, das Staunen war größer
Noch, als der Schreck; so sagt' ich bloß:
"Mohrchen, du Dummer, du Schlauer, du Böser,
Sprechen kannst du? So sprich man los!
Sagt doch dein Stammbaum, du bist von edeln
Eltern gezeugt, bist klug und vergnügt,
Kann mir's denken, daß dir das Wedeln
Und das Bellen nicht mehr genügt.
Freu dich der neuen Kunst deiner Kehle,
Hoch bevorzugt vor allen Wauwaus,
Und deine schöne Hundeseele
Gieß in das nächtliche schweigen aus!"
Sprach mein Pudel: "Karg bemessen
Ist uns des Redens Kunst und List;
Aber, Gebieter, hast du vergessen,
Daß heut die Nacht vor dem Christfest ist?
Einzige Nacht, die uns niederen Wesen,
Denen sonst ewiges Schweigen frommt,
Einmal im Jahre die Zunge zu lösen
Und die Stille zu brechen kommt?
Sieh, ich lausche nun Monde und Tage,
Was ihr so redet, die andern und du,
Hör' deinen Jubel und hör' deine Klage,
Und ich liege und wedle dazu.
Aber im tiefsten Herzensnestchen,
Blick' ich dir recht in die Augen hinein,
Scheint mir ein unaussprechbares Restchen
Immer und immer noch übrig zu sein.
Keiner erfährt's von all deinen Gästen,
Nicht deine Mutter und nicht dein Lieb,
Was da schließlich vom Tiefsten und Besten
Klanglos unter den Rippen blieb.
Schwatzst du von Zielen und Tageslasten,
Wohl, sie sitzen und nicken dir;
Aber die Seele dir leise betasten
Kann nur ein Schweiger, kann nur ein Tier.
Weißt du noch, manchmal gedachtst du der toten
Freuden, bis leis dich die Sehnsucht beschlich,
Spieltest sinnend mit meinen Pfoten -
Und ich lauschte und kannte dich.
Und von fernen Jugendgewittern
Aus der Sturmzeit des tollen Gesells
Fiel dir ein Widerschein - leise zittern
Fühlt' ich die Hand dir in meinem Pelz.
Spürte dein Hoffen auf künftiges Siegen
Mitten in düsterer Zweifel Nacht -
Und die Stunden, die du geschwiegen,
Haben dich mir erst lieb gemacht.
Alles vergeht, was laut und eilig,
Und die Worte verhallen im Wind;
Doch das Schweigen ist dreimal heilig,
Dessen Hüter wir Tiere sind!"
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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