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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Heine
Einst auf Korfu... Tief am Gestade sang
Das blaue Griechenmeer die ew'gen Psalmen -
Hoch oben, krönend grünen Felsenhang,
Das "Achilleion" schimmernd durch die Palmen.
Die Säulenhallen, Armen gleich gereckt,
Ein steingewordnes, weltenflücht'ges Sehnen -
Und von den Mandelblüten kaum verdeckt
Die schlanken Marmorgötter der Hellenen.
Hier hat sich eine Kaiserin erträumt
Das Wunderreich des Schönen und des Großen,
Wolkenumflogen und vom Meer umschäumt,
Und ihr zu Füßen: Rosen, Rosen, Rosen...
Zwei Griechenmädchen führten mich den Weg.
Durchs Laub des Ölbaums spielten Morgenlichter;
Auf halber Höhe, zwischen Landungssteg
Und Griechenschloß fand ich - den deutschen Dichter.
Tief in die leidensschöne Hand geschmiegt
Das edle Haupt, die müde Brust zerfallen,
Gesenkt die Lider, wie im Schmerz besiegt
Vom Zug der Träume, die vorüberwallen;
Die Stirne ganz in Gold getaucht und Duft -
Kein Heil'genmaler führte solchen Pinsel! -
Der Sterbende aus der Matratzengruft,
Ein stiller Gast auf der Phäakeninsel.
Du süßer Sänger aller Liebeslust,
Den die Philister Deutschlands noch verfemen,
Sahst du die Griechenmädchen von der Brust
Die kaum geschnittnen roten Rosen nehmen?
Sahst du in ihrem dunklen Aug' den Tau,
Aus heißer Herzen Dankbarkeit entsprungen,
Der du das hohe Schönheitslied der Frau
In deutschen Tönen durch die Welt gesungen?
Hörtst du den Heimatsang der Lorelei,
Derweil dort unten weit im Silberbogen
An des Odysseus Rettungsbucht vorbei
Die weißen Segel nach Epirus zogen? ...
... Es stürmt durchs deutsche Land wie Festgeläut.
Von tausend Lippen Ruhm und Rede triefen;
Ich aber denk' der stillen Feier heut
Im Schattenschutz von Lorbeer und Oliven.
In der Homerschen Sonne Flammenkuß,
Umloht von des geliebten Meeres Glänzen,
Sah ich die Töchter des Alkinous,
Unsterblicher, dein Marmorbild bekränzen.
Und mir erstrahlt der Stunde heil'ger Sinn,
Die jener Frühlingsmorgen mir gedichtet
Am Bild, das eine edle Kaiserin
Dem leidgebrochnen Sänger aufgerichtet.
Das war ein Fest in jener Morgenruh'!
Fern lag die Welt mit ihrem Marktgewimmel.
Rosen und Schönheit, Glanz und Meer - und du
Und über all der Herrlichkeit der Himmel.
Und bunte Falter rings, die Blütenstaub,
In goldnen Lüften sich begegnend, tauschen,
Und junge Mädchen, allem Weltruf taub,
Die mir vom Munde deine Lieder lauschen...
Und wenn ich heut dein Leidensantlitz schau'
Zum leisen Klang der goldgespannten Lyra,
Taucht aus Olivengrün und Meeresblau
Der Traum der Wunderstunde von Kerkyra.
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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