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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Herbst
Herbst...Des Waldes Vögel schweigen,
Und die Heide träumt in Ruh'.
Gelbe Blätter von den Zweigen
Decken warm die Erde zu.
Um die trutzigen Ruinen
Rankt der Wein sich rot und braun,
Und die letzten Georginen
Nicken übern Gartenzaun.
Herbst... In stiller Nacht gefallen
Ist der erste Reif ins Land.
Weiße Morgennebel wallen,
Ballen sich zur Wolkenwand;
Drücken tief in kalter Schwere
Dunst und Rauch auf Dorf und Stadt,
Bis der Sonne Strahlenschere
Golden sie zerschnitten hat.
Herbst...Altweibersommerfädchen
Segeln um das stille Haus;
Heimlich spähen blonde Mädchen
Zagend nach dem Liebsten aus.
Und ins ahnende Gemüte
Schleicht sich bang die Weisheit ein:
Was so schön im Frühling blühte,
Will im Herbst begraben sein.
Herbst...Mein talentierter Vetter
Liest mir Abschiedslieder vor:
"Herbst"...Na ja, zum Donnerwetter -
"Rauchst du?" - "Nein?" "Ich bin ganz Ohr."
Lieder voller Wehmutsmilde
Rhythmisch gut, Gedanken-Mist.
Diesmal heißt das Kind Mathilde,
Was ein schöner Name ist.
Herbst...Ein Kärtchen grau und eckig -
Eine Klaue fürchterlich:
"Lieber Rudi, mir geht's dreckig.
Denkst du manchmal noch an mich?"
Welke Phrasen, blöd gedrechselt;
Ein Postskriptum: "Heut um neun..."
Ob das Mädchen mich verwechselt,
Oder ob...? Es könnte sein.
Herbst...Und wieder keinen Orden!
Ich bin ärgerlich erregt,
Weil mein Frack zu eng geworden
Und die Weste Falten schlägt.
Durch den Schmuck des Lockenkranzes
Wächst der Schädel mehr und mehr.
Herbst - - nichts Halbes und nichts Ganzes.
Wenn es bloß erst Winter wär'!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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