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Gedichte, Lyrik, Poesie

Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



In der Sommernacht

Es träumt die Nacht in Laubengängen,
Vom Schloß her jubelt hell das Fest,
Und müde von des Tags Gesängen
Schmiegt sich die Nachtigall ins Nest;
Der Mond spielt mit den blanken Kieseln,
Ein Wind wie leiser Bogenstrich -
Die steingefaßten Quellen rieseln,
Die Wasserrosen öffnen sich.
Und über weißem Marmorbecken,
Drin still der Sterne Bilder ruhn,
Gerahmt von dunklen Taxushecken
Reckt seinen Dreizack der Neptun.

Und wo der Eiche starke Rinde
Ein Herz um unsre Namen schlingt,
Da steh' ich lauschend, ob vom Winde
Geführt dein Lachen zu mir dringt;
Ob ihn, des sehnsuchtbange Seele
Dein lichterfülltes Haus umschleicht,
Kein einz'ger Ton aus deiner Kehle,
Kein Gruß aus deinem Glück erreicht;
Ob kein Gedanke will's dir raunen:
Im Garten steht ein stiller Gast,
Dem du im Lenzspiel deiner Launen
Die Sommernacht versprochen hast.

Da plötzlich... Nichts! Kein Weib im Fleische,
Kein Geist, der geht im Dunkeln um.
"Was soll mir das? Mein Freund, ich heische
'ne Pointe," grollt das Publikum.
"Meinst du, du darfst hier Tränen singen
Und glaubst dich straflos, wenn du's wagst,
Kunstvoll in Stimmung mich zu bringen,
Damit du plötzlich 'Mahlzeit' sagst?
Erst tust du sittsam wie ein Quäker -
Man kennt dich und man denkt: das wird.
Dann mimst du bloß den kleinen Schäker
Und sagst ganz ernst: ,Pardon, ihr irrt!'"

O Publikum, bei meinem Leben,
Nicht schamhaft hab' ich mich geziert,
Es muß auch Sommernächte geben,
In denen einmal nichts passiert.
Muß Dichter geben, die da wandern
Durch Gärten, rein und seelenklar,
Und tief moralisch, weil zum andern
Für dieses Mal kein Anlaß war.
Und willst du deshalb mich nicht loben
Und denkst von meinem Lied gering -
Ich war moralisch sehr gehoben,
Als ich um zwölf nach Hause ging...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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