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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Kultur
Aus Zeiten, roh und kannibalisch,
Rang strebend sich der Mensch zum Licht,
Heut ist Herr Lehmann sehr moralisch,
Wenn er - von Schulzes Lastern spricht.
Er schilt mit Worten, reichlich harten,
Auf Völlerei und Überfluß;
Das Wucherkraut in Schulzes Garten
Benimmt ihm den Naturgenuß.
Und Schulze wieder warnt beizeiten
Herrn Lehmann ernst vor Weib und Wein.
In eignen Angelegenheiten
Kann er von schöner Milde sein.
Er pflückt, den holden Frühling nutzend,
Sich Blümchen, wo der Lenz sie beut;
Denn Lehmann ist ein Kerl vom Dutzend,
Doch er ist 'ne Persönlichkeit.
Und Lehmann schwört, beim Lebenfeste
Benimmt sich Schulze äußerst roh,
Das macht: ihm fehlt die schöne Geste,
Auch weiß er nicht, was comme il faut.
Sein Frohsinn schmeckt wie die Pistazie,
Die man in Pfeffer eingemacht.
Ihm mangelt immanente Grazie,
Die Lehmanns Laster lieblich macht.
Und Schulze hat in ernsten Tagen
Erwogen, was an Lehmann sei;
Na ja, er will nichts Übles sagen,
Doch scheint ihm alles - Heuchelei.
Es wirkt entsittlichend, verwildernd,
Wenn man in seine Tiefen dringt;
Es sei denn, daß der Freund ihm mildernd
Die Dummheit noch in Rechnung bringt ...
Drum willst du sichre Kunde tragen
Von der Moral ins eigene Haus,
Mußt Lehmann über Schulze fragen,
Forsch Schulze über Lehmann aus.
Dann lernst du, wie es die fatale
Moral so wenig weit gebracht,
Seit ein verruchter Kannibale
Gulasch aus seinem Feind gemacht.
Dann aber lasse einen jeden
Dir zur Erquickung, sich zur Lust
Mal munter von sich selber reden
Aus männlich überzeugter Brust -
Dann siehst du nah die Gipfel strahlen
Und frohe Wissenschaft beginnt:
Wie wir zu höchsten Idealen
Auf allerbestem Wege sind!
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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