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Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



Mein Aschenbecher

Ein Aschenbecher von Porzellan,
Der hat mir's lange angetan.

Hab' ihn einmal, weiß nicht mehr wann's war,
Erstanden im Antiquitätenbazar.
Türk'sche Pistolen, ein altes Cello,
Münzen und Köpfe von Donatello,
Grüne Fayencen (mit kleinem Knacks),
Elfenbeinminiaturen, Vieux Saxe,
Goldene Büchschen und silberne Dosen
Mit dem Bildnis Friedrichs des Großen,
Holländ'sche Kacheln und Teller dazwischen
Lagen herum auf staubigen Tischen;
Und der Händler, ich denk' er hieß Cohn,
Klagte mir, stille Wehmut im Ton,
Wie auf Schlössern die Edelleute
Manchmal so traurig verschuldet heute,
Daß sie, zu fristen ihr adliges Leben,
Ehrlich Ererbtes billig geben.

Ließ ihn schwatzen und klagen und preisen.
Lieber Gott, ich kannte die Weisen;
Denn Erworbenes oder Ererbtes,
Längst Verblaßtes und Neugefärbtes,
Was Erinnrung aus lieben Tagen,
Was des Großvaters Mägde zerschlagen,
Endigt am Ende anders nie
Als bei Cohn und Compagnie.

Da entdeckt' ich mit einem Male
Unter Stichen die rundliche Schale,
Die ich äußerst spaßig fand;
Denn es saß ein Schwein auf dem Rand,
Von Porzellan ein kleines Schwein.
Tiefsinnig sah's in den Teller hinein,
Als ob's den listigen Äuglein gelinge,
Zu erforschen die letzten Dinge.

Ließ die Pistolen, die Kacheln, das Cello
Und die Köpfe von Donatello
Ihrem Behüter, ich denk' er hieß Cohn,
Kaufte das Schweinchen und ging davon.

Bin in der Welt herumgefahren.
Mit mir reiste das Schweinchen seit Jahren.
Steckt' ich mir wo als fleißiger Mann
Bei der Arbeit ein Giftkraut an,
Schrieb ich, ohne mich umzusehn,
Mußte das Schweinchen dicht neben mir stehn.
Streifte an seinem geduldigen Rüssel
Sorglos die Asche ab in die Schüssel,
Spann mich in meine Träume ein -
Über der Asche brütet das Schwein.

Wenn ich nach seligen Schöpferstunden
Dann zum glücklichen Schluß gefunden,
Gleitet mein Blick vom gefüllten Papier
Zu dem kleinen, geduldigen Tier.
Richtig, noch auf der Schale Rand
Sitzt es und starret unverwandt,
Ohne zu grunzen und ohne zu laufen,
Auf einen grauen Aschenhaufen.
Und an Rüssel und Ohren ward's
Von der Zigarre staubig und schwarz.

Und ich blase über sein Ohr -
Kommt mir immer wie Unrecht vor,
Daß ich's gar so respektlos benutze
Und im Traum mit Asche beschmutze;
Denn in kritischen Stunden wohl
Scheint es mir Freund und scheint mir Symbol;
Lehrt mich: Von allem, was dir geglüht
Unter der Nase, wie durchs Gemüt,

Wenn erst der Zeiger auf Mitternacht läuft,
Bleibt ein Aschenberg aufgehäuft.
Keiner ahnt mehr, wie's einst dich entzückt,
Keinen ergreift's mehr, was dich beglückt;
Stumpfsinnig glotzt ein behäbiges Schwein
In den kleinen Behälter hinein,
Der umspannt, was so wunderbar
Feuer, Wolke und Labsal war...


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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