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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Piefkes haben einen Sohn
Piefkes haben einen Sohn,
Vierzehnjährig, gut entwickelt,
Und in Tertia sitzt er schon,
Blaß und etwas reich bepickelt.
Sehr zu loben ist sein Fleiß;
Nachts noch büffelt er mit Eifer.
Nein, was der schon alles weiß -
Und er trägt auch einen Kneifer!
Paradies und Apfelbiß,
Testament, das alt' und neue,
Marathon und Salamis,
Troja, Kirke und die Säue,
Der Karthager Sieg und Fall,
Cicero (er liest ihn häufig)
Und die Perserkön'ge all
Sind bekannt ihm und geläufig.
Bloß (wie das so kommen mag Mitten in gelehrten Werken)
Seiner Mutter Namenstag
Kann und kann er sich nicht merken.
Diese Frau erscheint ihm matt
Und im Denken zu gemächlich;
Daß sie ihn geboren hat,
Dünkt ihm äußerst nebensächlich.
Wo der Vercingétorix
Einst gefochten, er notiert sich;
Über den Olymp und Styx
Zeigt er tüchtig orientiert sich;
Kennt die alt' und neue Welt,
Was erschlagen und begraben;
Und die Schlacht bei Breitenfeld
Scheint er kommandiert zu haben.
Bloß: was wohl sein Ahnherr trieb,
Wo er lebte und sich regte,
Was sein Vater tat und schrieb,
Eh' er sich ins Kästchen legte,
Was der Stamm als Enkelpflicht
Auferlegt in Kümmernissen -
Gott behüt', das weiß er nicht,
Woher soll er das auch wissen?
Solon, Thales von Milet
Sind ein Umgang ihm, ein lieber;
Sokrates und Epiktet
Wandeln oft an ihm vorüber.
Jede Weisheit ist ihm nah,
Diesem fleiß'gen Wunderknaben,
Die vom Sturm in Attika
Oder sonstwo längst begraben.
Bloß: was aus dem gestern winkt
Mit den Augen ernster Mahnung,
Was im morgen lockend blinkt -
Davon hat er keine Ahnung.
Was im heute, jung und grün,
Treibt und blüht und sich entwickelt,
Alles solches findet ihn
Blöd und dumm und reich bepickelt...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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