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Gedichte, Lyrik, Poesie

Spuren im Sande
162 Bücher



Rudolf Presber
Spuren im Sande . 1. Auflage 1906



Rembrandt

Wie bläst der Wind von den Kanälen kalt -
Hendrikje, in den Ofen noch ein Scheit!
Tut's um das schöne, teure Holz dir leid?
Mich friert, mein Kind, Rembrandt wird alt, wird alt.
Der Winter brach mit seinen Schauern ein -
Ein leises Zittern schleicht sich in die Hand.
Du hast den tollen Burschen nicht gekannt,
Den Saskia so geliebt - Rembrandt van Ryn.
Kennst nur den mürr'schen Graukopf, gute Haut,
Hältst bei ihm aus, vom Pfarrer nicht getraut.
Was er gerettet sich aus Lebensschlappen:
Seltsam Gerät, Gewaffen, Bilder, Mappen,
Teppich und Masken, Chinaporzellan,
Du staubst es ab, du siehst es staunend an:
"Was soll der Plunder - macht das Zeug uns satt -
Der Schaffnerin, die nichts zu kochen hat?"
Die Not im Haus, der Gläub'ger täglich Gast -
Hendrikje, glaub, ich weiß, wie recht du hast!
Nimm jenen Helm dort - Nein, den laß mir noch.
Den Teppich hier, nimm ihn, verkauf - und koch -
Nicht doch den Teppich - den dort, meinen Stolz:
Den blanken Spiegel nimm aus Ebenholz,
Trag ihn zum Juden, mach ihn dir bezahlt.
Weißt du's, Hendrikje, als ich mich gemalt,
Mich selbst, die Feder wippend vom Barette,
Den Degen um, am Hals die güldne Kette,
Der kleine Titus lächelnd mich umkroch,
War dieser Spiegel - - laß den Spiegel noch!
Die Truhe dort mit sieben Edelsteinen
Am Silberschloß, der Simon, sollt' ich meinen,
Bezahlt dafür - - wenn der nicht, dann ein Christ.
Nein, ich vergaß, daß sie verpfändet ist...
Hendrikje, noch ein Scheit! Es bläst so kalt
Vom Fenster her... Rembrandt van Ryn wird alt.
Mir scheint, er überlebte sein Geschlecht;
Sie kaufen ihn nicht mehr. Sie haben recht.
Der Frohe soll des Schöpfers Wunder malen;
Wer will dem Alter seinen Gram bezahlen?
Mein Selbstbild macht mir keine Freude mehr.
Der Blick ist trüb, die Wimpern werden schwer.
Der Patriarch dort in dem weißen Bart,
Mich dünkt, er hat nichts mehr von meiner Art,
Nicht mehr das Licht, das aus dem Himmel fällt -
Nicht mehr das trotz'ge Lächeln in die Welt.
Hendrikje, horch! Es pocht ... Ein Käufer? - Nein.
Schließ fest die Tür; es wird ein Gläub'ger sein.
Er holt die Perser mir, die Chinatassen -
Der Palma Vecchio dort möcht' ihm wohl passen!
Von Lukas Cranach jenen Kupferstich
Errafft er für den schnöden Schuldschein sich,
Hebt mir vom Zederschranke, plump und roh,
Den Kinderkopf des Michelangelo,
Reißt Holbeins Blätter gierig aus dem Schrein -
Hendrikje, laß den Hund mir nicht herein!
Was ich ihm schulde, will ich doppelt schulden.
Den Abraham geb' ich für hundert Gulden,
Der dort den Isaak opfert. Einen Schein
Stell' ich ihm aus. Dein Name hinterdrein
Als gute Bürgschaft... Wendest dein Gesicht?
Hendrikje liebt mich - schreiben kann sie nicht.
Drei Kreuze malt sie nur auf das Papier -
O wollte Gott, die Kreuze hülfen mir!
Sie helfen nicht. Geh, öffne, Kleine - halt,
Noch einen Kuß. Die Türe auf. Nur Mut!
Rembrandt van Ryn, so sprich, ward arm und alt;
Nun plündert ihn und schämt euch, daß ihr's tut!

Ein Saal im Westen. Leute, Kopf an Kopf,
So fest gekeilt schier, daß ein Wassertropf'
Zur Erd' nicht käme. Alt' und neue Welt
Hat ihre schlausten Händler hergestellt.
Ein Lord, ein Protz, ein Krösus, ein Agent -
Wie das mißtraut sich, wie sich's grüßt und kennt;
Wie sich's beargwöhnt schlau, vom Sammlerneid
Die Lippen blaß, das Scheckbuch schon bereit.
Die Neu- und Neusten sind schon durchgehetzt,
Stuck, Lenbach, Trübner glücklich abgesetzt.
Still! - "Nummer dreißig." - "Bitte, Türen zu!"
Nervöses Räuspern - still, jetzt kommt der "Clou"!
Den kleinen Hammer wippend in der Hand
Der Auktionator deutet auf die Wand:
"Das Opfer Isaaks - im gelben Ton,
Der Patriarch, im Arm den zarten Sohn.
Sein Zeichen hier im Dunkel, hell und breit:
Ein echter Rembrandt aus der letzten Zeit!"
Fünftausend Taler - sechs - und acht - und zehn!
"Auf sechzigtausend Taler wird er gehn,"
Brummt so ein Händler schmunzelnd in sein Blatt,
"Ja, Herr, wer heut noch einen Rembrandt hat,
Der braucht nicht in verbotnen Lotterieen,
Die Angst im Nacken, heimlich mitzuziehen,
Der ist befreit von aller Sorgen Qual,
Der kleinste Rembrandt ist ein Kapital..."
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Ich hör's nicht mehr. Es fliegt durch Zeit und Raum
Nach Amsterdam mein rückgewandter Traum.
Ich seh' den alten, müden Meister ruhn,
Inmitten seiner Bilder, Waffen, Truhn,
Und alles, alles hilflos und ergrimmt
Mit Blicken streicheln, eh' er Abschied nimmt.
"Ich dacht', ich hätt' das alles schon bezahlt;
Hab' ich's euch nicht für alle Zeit gemalt?
Hendrikje, laß, sie geben's uns nicht frei,
Deine drei Kreuz' und meine Malerei
Gilt ihnen gleich. So laß die Kerle ein;
Laß sie sich holen Sessel, Betten, Schrein
Und Helm und Maske, Truhn und Kupferstich -
Wer weiß, vielleicht - die Enkel schämen sich!"


  Rudolf Presber . 1868 - 1935






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