Vision bei Worms

Das sind die hellen Stunden
Rotflammender Rosenzeit -
Drei Könige der Burgunden,
Die reiten in Herrlichkeit.

Sie reiten bergauf, bergunter;
Im Helmbusch spielt der Wind -
Und schweigend brütet Gunther,
Und Gernot träumt und sinnt.

Held Giselher, der Junge,
Lächelt erinnrungsmild.
Vom Schatze der Nibelunge
Manch Kleinod gleißt im Schild.

Sie reiten an Schlössern und Warten
Vorbei im goldnen Schein;
Sie suchen einen Garten
Voll Rosen am grünen Rhein.

Im fruchtbaren Gefilde
Den Garten, treugehegt,
Drin liebevoll Kriemhilde
Die roten Rosen gepflegt;

Da sie in bräutlichem Glücke
Noch mild von Blick und Wort,
Nicht dacht' an Hunnentücke,
Nicht sann auf Brudermord.

Da sie gekränzt mit holden
Blumen der Sieger Schar;
Da noch ihr Haar so golden,
Ihr Herz so gütig war.

Sie fassen die Zügel fester;
Vom Huf der Funke stiebt -
Drei Könige suchen die Schwester,
Die sie am Rhein geliebt.

Drei Könige der Burgunden,
Die reiten in Herrlichkeit -
- Das sind die hellen Stunden
Rotflammender Rosenzeit.


  Rudolf Presber . 1868 - 1935

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