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Rudolf Presber
Spuren
im Sande . 1. Auflage 1906
Zum neunten Mai
(1905)
Jetzt senkt vor seinem großen Sohne
Alldeutschland Fahnen, eichlaubschwer;
Der Feuergruß der Urkantone
Loht von des Rütlis Wiesen her.
Ein Strauß von blutgedüngten Feldern
Von Orléans weht heißen Duft,
Und von Messinas dunklen Wäldern
Schmückt schlanker Lorbeer seine Gruft,
Es flammt die Insel der Malteser;
Und die Begeistrung ist entfacht
Vom blauen Golf der Genueser
Bis zu der böhm'schen Wälder Nacht ...
Die hohe Stirne dir zu krönen
Regt Deutschland tausend Hände heut;
Es wird dein Ruhm in hellen Tönen
Weit in die Lande ausgestreut.
Ich aber möchte, still zu beten,
Ein ernster, feierlicher Gast,
Zu Weimar in die Stube treten,
Wo lächelnd du vollendet hast;
Aus der sie einst in Maientagen,
Als bang vom Turm das Glöckchen rief,
Den platten Armensarg getragen,
In dem ein deutscher Frühling schlief.
Ans leere Lager tret' ich leise,
Aus dem gegrüßt dein Genius
Noch in des Fiebers letztem Schweiße
Zu Moskau den Demetrius;
In dem des Herzens letztes Ringen,
Wie einst in Tagen, stolz und klar,
Von ew'gen Werten noch ein Singen,
Ein Gruß noch an die Schönheit war.
Das ist an diesem armen Bette
Die Ehrfurcht, die mich niederzieht,
Wie an geweihter Kreuzesstätte
Auf Höhen wohl der Waller kniet.
Der Muttersprache größter Meister,
Du aller Jugend Kampfgenoß,
Du Fürst im stillen Reich der Geister,
Du Herold, wo ein Frühling sproß,
Der, bis er sterbend heimgefunden,
Bis ihn der ew'ge Schlaf gewiegt,
Des schwachen Leibes Leidensstunden
Durch seiner Seele Kraft besiegt,
O, wandle, wenn des Abends Schimmer
Den Wiesen an der Ilm entschwand,
Noch einmal durch dein Sterbezimmer
Und rühr mein Herz mit deiner Hand.
Erfüll mich mit dem großen Sehnen,
Das sich an deine Seele schmiegt,
Das über Menschenleid und Tränen
Ins reinre Licht der Sterne fliegt.
Zerbrich die letzten Erdenschranken,
Zu Griechentempeln lenk den Lauf
Und zu den ewigen Gedanken
Stoß mir die goldnen Tore auf.
Und kann ich nicht zum Höchsten schweifen
In meiner Sünden Erdenkleid,
So laß mich schauernd tief begreifen
Den Adel deiner Menschlichkeit.
Mich und die andern, deine Brüder,
Zwar schwach und doch von dir geliebt -
Wir finden keinen zweiten wieder,
Der uns so stolze Schönheit gibt.
Die Spötterschar der Ewigkalten,
Will sie dir stürzen Thron und Bild,
Laß uns die Ritterwache halten
Mit deutscher Treu und deutschem Schild.
Und wenn das Späheraug' der Liebe
Die Bilderstürmer schleichen sah -
Das Schwert heraus und "deutsche Hiebe",
Wie am Palast des Doria!
Du aller Freiheit edler Fechter,
Du, der du keinem Jünger logst,
Erziehe kommende Geschlechter
Zur Schönheit, wie du uns erzogst.
Und von des Alltags Kampfgetöse
Führ sie den heil'gen Weg bergan,
Wo einsam vor des Schicksals Größe
Das Herz in Ehrfurcht zittern kann;
Wo sie den Staub des Markts nicht kennen,
Der Neid versiegt, verstummt der Spott,
Und rein die Opferflammen brennen
Dem ewig unbekannten Gott...
Rudolf
Presber . 1868 - 1935
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