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Befreiung
162 Bücher



Anna Ritter
Befreiung . 1. Auflage 1900


Begräbnis

Sie läuten draußen. Feierlich und dumpf
Ringt sich der Ton der Glocke vom Gestühle,
Verkündend, daß ein Mensch vom Lichte schied.
Ein Adler, schwebt hoch über dem Gewühle
Des Trauerzugs die Todtenklage hin,
Und in den Morgen steigt ein Abschiedslied,
Der letzte Gruß der Ueberlebenden
An jene Seele, die die Erde mied. -
Wer war es, der des Leibes Fessel brach?
Ein Müder, der in seligem Ermatten
Sich auf das letzte Lager hingestreckt,
Ein junges Blut, das aus den Kinderträumen
Zu wacher Wonne kaum der Lenz geweckt?
Ein blühend Weib, das warm um Kind und Gatten
Die vollen, lebenskräftgen Arme schlug,
Ein blasser Grübler, der durch tausend Schatten
Des Zweifels eine Geistesflamme trug?
Ein Räthsel, schwankt der Sarg an mir vorüber,
Von Liebe, Gleichmuth oder Haß getragen,
Der letzten, stillen Ruhestätte zu;
Mir aber flattern quälende Gedanken
Wie Nachtgevögel kreischend um die Stirne
Und stören mir des Tages heitre Ruh.
Wozu die Noth und all des Weges Mühsal,
Wenn nur ein Grab als letzte Aussicht winkt,
Wenn Thränen, die dem Edelsten geflossen,
Des Staubes widerliche Lippe trinkt?
Wozu im Herzen eine Gluth entzünden,
Die langsam unsre Lebenskraft verzehrt,
Wenn sie doch nie zu einem Licht sich läutert,
Daß unsrer Wege letztes Räthsel klärt?
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Schwer sinkt mein Haupt auf die verschlungnen Hände ...
Da klingt ein Stimmchen zwitschernd mir ins Ohr,
Und zu den hellen Augen meines Kindes
Heb ich die Blicke ahnungsvoll empor:
Wer, der voll Lust ein Kind zum Herzen hebt,
Darf zweifelnd fragen: wofür er gelebt!


  Anna Ritter . 1865 - 1921






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