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Theodor Däubler
Der
sternenhelle Weg . 2. erweiterte Auflage 1919
An die Natur
I
Ich bin in großer Stunde an den Fluß gekommen.
Ein Kloster sah ich. Sonst war Sommereinsamkeit.
Das Tor stand offen für die mittagstolzen Frommen.
Mir folgte klein der Schatten. Vorne stand das Leid.
Ich horchte, fragte langsam: Gibt es hier Undinen?
Doch alles schwieg. Und Pan? Er sollte schalkhaft lachen.
Um eine frohe Rose schwirrten meine Bienen,
Um demutvoll bei hohen Werken mitzumachen.
Da lachte ich hinein in alles Gottesgrüne.
Millionen leichter Echostimmen lachten weiter.
Ich lache noch, weil ich mich dazusein erkühne.
Wir sind des großen Mittags heitre Vorbeschreiter.
II
Die Blätter brauchen mich, um heimlich zu verstummen,
Die frische Quelle wird nach mir verlangen,
Der Wald hat Bäume, um sich zu vermummen,
Er läßt die Rehe bis an seinen Saum gelangen.
Ich will der Schöpfung Ansprachen vernehmen,
Drum, liebe Seele, höre auf zu singen.
Das Rätsel ist vielleicht, daß wir uns schämen,
Uns bloß in Splitterungen dreist erbringen.
Natur, du bist gewiß die Herzlichgute,
Erblühst du, um die Seele keusch zu säubern?
Du ringst den Sommertag aus deinem Blute,
In Träumen reinigst du die Nacht von Räubern.
III
Wir brauchen keine Märchen, keine Sagen,
Im Frühjahr sind die Blütenbäume Bräute,
Das weiße Zwergobst Firmlinge im Haage,
Die Nadelbäume lauter brave Leute.
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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