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Theodor Däubler
Der
sternenhelle Weg . 2. erweiterte Auflage 1919
Bäume
I
Die Fichte
Der Fichte nächtlich sanftes Tagbetragen
Belebt Geschickeswürde kühn im Wald.
Kein Zweiglein kann in ihrer Waltung zagen,
Die ganze Nacht gibt ihrem Atem Halt.
Es scheint ein Stern an jedem Ast zu hängen.
Des Himmels Steile wurde erst im Baum.
Wie unerklärt sich die Gestirne drängen!
Vor unserm Staunen wächst und grünt der Raum.
Ihr himmlisches Geheimnis bringt die Fichte
Den Blumen, unsern Augen fürstlich dar,
Ihr Sein erfüllte sich im Sternenlichte,
Sie weiß bei uns, daß Friede sie gebar.
Was soll der Weltenwind im Samtgeäste?
Die Fichte weicht zurück und spendet Rast.
Ein Baum, der alle Sterne an sich preßte,
Bleibt groß und segnet uns als guter Gast.
II
Die Buche
Die Buche sagt: Mein Walten bleibt das Laub.
Ich bin kein Baum mit sprechenden Gedanken,
Mein Ausdruck wird ein Ästeüberranken,
Ich bin das Laub, die Krone überm Staub.
Dem warmen Aufruf mag ich rasch vertraun,
Ich fang im Frühling selig an zu reden,
Ich wende mich in schlichter Art an jeden.
Du staunst, denn ich beginne rostigbraun!
Mein Waldgehaben zeigt sich sommerfroh.
Ich will, daß Nebel sich um Äste legen,
Ich mag das Naß: ich selber bin der Regen.
Die Hitze stirbt: ich grüne lichterloh!
Die Winterspflicht erfüll ich ernst und grau.
Doch schütt ich erst den Herbst aus meinem Wesen.
Er ist noch niemals ohne mich gewesen.
Da werd ich Teppich, sammetrote Au.
III
Die Birke
Die Birke ist im Nebel zu erschauen.
Sie scheint ein Mädchen, eine Schleierbraut.
Sie steht verschämt neben den Fichtenfrauen
Und hat sich noch zu keinem Wort getraut.
Der Morgenkönig greift um ihre Hüften.
Da schmiegt die keusche Birke sich zurück.
Sie läßt nur leise ihre Hüllen lüften
Und lispelt gleich von ihrem Jungfernglück.
Da fängt der Morgenkönig an zu zagen.
Er drückt das zarte Elfenbeingelenk
Und freut sich lang an ihrem schlanken Ragen;
Er läßt der Birke scheu ein Taugeschenk.
Das Wunder ist mit einem Kuß geschwunden.
Die Birke ist nicht Braut und auch nicht Frau.
Das Mädchen hat den Liebeswunsch empfunden
Und trägt noch leise Kindlichkeit zur Schau.
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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