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Gedichte, Lyrik, Poesie

Der sternenhelle Weg
162 Bücher



Theodor Däubler
Der sternenhelle Weg . 2. erweiterte Auflage 1919



Der Fischer und sein Sohn

Freundlicher Mond, wie lieblich du erscheinst.
Der leichte Wind ist lautlos eingeschlafen,
Das Nachtkindlein in kurzem Hemd,
Der Abendknabe, die sich lachend trafen,
Sind noch verwundert, daß du sie vereinst.
Soeben waren sie einander fremd,
Nun laufen beide schon hinab zum Strand,
Der Ältere hält den Gespielen an der Hand.
Die lauen Wellen balgen sich um Glut und Gischt,
Die schlanken Kerle können gut mit Muscheln zielen,
Nun hat der Kleine sich in das Gebraus gemischt.
Er badet, jauchzt, und schon vergißt er den Gespielen.
Freundlicher Mond, wie lieblich du erscheinst.
Es bringt nun der Fischer die Netze herbei,
Zum erstenmal hilft ihm der älteste Sohn.
Die Angeln des Mondes sind lila wie einst.
Da kam an den Alten als Knaben die Reih,
Er ruderte wenig und bückte sich schon
Hinab zu den Spiegeln, zum eigenen Bild.
Der Nachen war doppelt, ein Traumtier mit Flügeln:
Er hielt es im Sinne mit mondhellen Zügeln,
Der Wind war gering, und er trug ihn so mild
Zu anderen fahrenden Fischerfamilien
Mit Kindern, umsegelt von träumenden Lilien.
Freundlicher Mond, wie lieblich du erscheinst.
Du schmiegst dich aus Wolken in Andacht empor,
Oft glaub ich dich ruhig, oft scheint mirs, du weinst,
Auf einmal versprüht sich ein Goldmeteor.
Es glänzen die Wellen am Nachen vorbei.
Das Kind hilft dem Vater. Die Arbeit ist schwer.
Man senkte voll Hoffnung die Netze ins Meer,
Das Wasser begann seine Nachtneckerei.
Der Nachtknabe spielt mit den stillen Delphinen,
Sie machen die allerverstiegensten Sätze.
Es ist doch ein Kind mit dem Fischer erschienen!
Du sollst dich nicht fürchten, ein Kobold will spielen,
Der Nachtknabe klatscht und bespritzt dich zum Scherz.
Du Knäblein im Nachen, was ängstigt dein Herz?
Er will sich vergnügen, mit Schaumbällen zielen.
Der Vater besänftigt den weinenden Jungen,
Doch kränkt ihn noch immer das Wellengebraus.
Die Mondfahrt, der Spielversuch, beide mißlungen.
Der Vater fährt mürrisch den Knaben nach Haus.


  Theodor Däubler . 1876 - 1934






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