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Theodor Däubler
Der
sternenhelle Weg . 2. erweiterte Auflage 1919
Der Raub der Sabinerinnen
Du lachende, wahnsinniglachende Nacht,
Ich habe dich endlich ins Wüsten gebracht.
Die Lust überwindet uns furchtbar und kalt,
So höre, wie laut unser Aufhasten hallt.
Du winselndes Weib, knirsche rauh mit den Zähnen,
Ich lache, ich lache vor Wollust in Tränen.
Die Nacht selbst ist Bosheit. Sie freut sich und grinst.
Wir sind ihrer Lachsamkeit schnellster Gewinst,
Wir sinken und fallen, versinken im Lachen,
Wir stürzen uns selbst in den nachtwarmen Rachen.
Errungene Lichter, ermarterte Höhen,
Verwolkt und vereist unter Lustabgrundsböen.
Die Lust ist enthuscht, doch das Wollustgewitter
Umgirrt uns und wirrt uns. Wie schal und wie bitter.
Was drückt uns hinunter? was läßt uns im Nichts?
Wir werden zum Spiel eines bösen Gesichts.
Nun graut es. Es graut uns. Es blauen die Fenster.
Nun sollst du nicht fort. Erschöpft uns Gespenster!
Dein gelbliches Fleisch muß mir weiter gehören!
Dein Busen ist mein! Dein Herz muß mich hören!
Dein Blick will entblauen. Das Auge wird starr.
Ich lasse dich nicht, ich werde dein Narr.
Ich lache am Tage. Wir lachen zusammen.
Ich halte dich! Hörst du uns selber entstammen?
Du feiges Entsetzen! Sei stolz auf die Sünde.
So folg mir ins Nichts ohne Zwiste und Gründe,
Erschaue am Tage die erbliche Blöße,
Da bin ich, der Mann, deine feindliche Größe.
Die Haare bedecken mich scheckig wie Flechten,
Mein schwellendes Aderngeäst wird dich knechten.
Du fliehst mich. Du kannst nicht. Ich halte dich fest.
Ich herz dich, und wenn uns der Atem verläßt.
Es röten sich schon deine eiskalten Glieder,
Der Tag überglitzert das schweißfeuchte Mieder.
So bleibe, so bleibe. Wir trotzen dem Tage!
Ich atme. Wir atmen, ich haste und frage:
Wie, sage? du willst an das Müssen nicht glauben?
Nun ist es geschehn! Ich werde dich rauben.
Mit grausamem Übermut pack ich die Glieder,
In schwindelnde Geilheit reiß ich dich nieder,
Der Tag überzüngelt und tigert uns rot,
Ich raube und halte dich wollustdurchloht :
Ich halte dich fest mit den Krallen der Lust.
Und Lust übertrumpft unsre Kraft. Doch du mußt.
Du wirst mir gehören. Du mußt. Du bist mein.
Verscheuche der Angst lilafuchtelnden Schein.
Nun knirschst du, ergibst dich. Der Tag und die Scham
Sind rasch überwunden. Wie freudig das kam!
Das Gold rankt nach oben. Du weinst wild verstört.
Es hilft dir der Kuß, daß dein Leib mir gehört.
Der Tag goldet rastlos. Die Nacht huckt vorbei.
Wer schadenfroh aufblickt? nur jetzt keinen Schrei!
Die Ecken sind leer. Die Brunst voll Gegrunz.
Ein Tag wird es nun. Es dunkelt in uns.
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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