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Theodor Däubler
Der
sternenhelle Weg . 2. erweiterte Auflage 1919
Sieben Gedichte
I
Der kurze Tag
Die Pferde bleiben auf dem kahlen Sattel stehen.
Es hat der Schweiß die Tiere wolkenweiß gemacht.
Erscheint ein Wandervolk für sein Nach-oben-gehen?
Ist das der Tag in alter Blutgewimmelschlacht?
Die Pferde auf dem Sattel wittern nach dem Westen.
Das Mohrenheer mit Mond und Sichel muß verschwinden.
Ein Volk mit blutgen Zungen baut sich Mittagsfesten.
Das Morgenrufen der Gebirge faßt die Blinden.
Die Felsen werden ihren Tag als Moos begreifen,
Auf ihre toten Lider sollen Schnecken träufeln.
Der Efeu kleidet sie mit schnellen Schwalbenschleifen,
Sie halten sich aus Angst vor blauen Teufeln.
Das Mondlicht war die Fieberfurcht von Pflanzenteichen.
Nun stehn die weißen Rosse dort, den Tod zu trinken.
Die frohen Wolken spiegeln sich als lila Leichen.
Die Sonne wird in einer Blutpfütze versinken.
II
Die Saat
Das ist der Augenblick der Dämmerung.
Ich staune unter einer Pforte.
Nun kommt des Tages letzte Hämmerung:
Aus Narben blutumwolkte Worte.
Am Acker, der die Nacht erhascht,
Erkenn ich, in flügelnden Lappen,
Den Alten beim funkelnden Rappen
Mit Futter, das Rabengewimmel umrascht.
Der Gaul und das Vogelgewitter
Verlassen den strahlenden Greis.
Allein mit dem Sternengezitter,
Beschenkt er den ewigen Kreis.
Er greift in den Sack mit dem Samen
Und segnet, ein Guter, die Flur.
Er schenkt sich im sternenbenagelten Rahmen
Unendlicher Stunden gehimmelter Fuhr.
III
Giganten
Träume fassen langsam meine Hand
Oder nehmen etwas flugleicht von den Schläfen.
Sie geben mir den Teppichschritt zu andern Häfen.
Durch das Getränme hüpft, verknüpft sich blau ein Band.
Ich bin nun selber das bebaut geglaubte Land.
Beatmen wir das Ostergrün von weiten Mulden?
Sind meine weißen Augenblicke ein Gedulden
Von jungen Lämmern über dem Narzissenstrand?
Denn Blumen branden um die stumme Wogewand
Der ferne hingewiesnen Quellenwiesen.
Der Schaum wird Zicklein vor dem Schattenrand
Der sonnenüberthronten Grottengruft der Riesen.
Sie kommen nicht hervor. Wir hören ihre Schritte.
Sie scheinen Kupfersärge lang zu hämmern.
Ein Herzfeuer zerzüngelt ihre Augenmitte.
Sie sternen auf. Und ihre Leiber schleichen zu den Lämmern.
IV
Schwur
Der Gipfel hat die Männer aus dem Tal versammelt.
Sie wollen sich der Abendhimmlischkeit ergeben.
Von ihrem Greise wird ein Beten angestammelt.
Dann fangen Herzen an im Silbenwind zu beben.
Der blaue Abendbaum wird aufgerichtet,
Noch bleibt er unsichtbar ins Blau der Nacht gedichtet.
Doch halten Schwüre Männerhände rot erhoben,
Damit die Abendblüten ihren Glühverkünder loben.
Die Schwüre züngeln über den versternten Fingern
Und schweben strahlhaft, wenn ermüdet Arme sinken.
Die Schwüre bleiben, wo die Seelen blau verblinken.
Die Sternebringer ziehn zu frühern Sternebringern.
Der blaue Baum belaubt sich mit dem Hang zu trauern.
Die Schwüre Sternen, um das Geistern zu umgittern.
Die Mondfrucht treibt: sie kommt durch unser Gut zu dauern,
Den Windhauch werden Sterne, Blatt und Herz erzittern.
V
Gespenster
Gespenster sind Kometenköpfe unter Leuten,
Sie stehn bei uns und schleppen Sterne in die Stuben.
Der Schneider flickt. Sie spielen stumm mit seinem Buben.
Der Arzt tritt auf: Gesunde werden sie erbeuten!
Gespenster sind Kometenköpfe bei Verliebten.
Sie legen ihren Sternenschweif in kurze Betten.
Auf einmal merkst du sie... Wer trägt versteckte Ketten?
So horche hin: es ist, als ob sie etwas siebten.
Gespenster sind Kometenköpfe auf den Straßen:
Sie passen auf, um Menschen in den Tod zu trichtern.
Durch ihren Schweif gelangen wir zu unsern Richtern.
Wir stürzen ab: sie handeln nach versteckten Maßen.
Gespenster sind Kometenköpfe in Spelunken.
Der Wein wird giftges Blut in ihren Schleierfingern.
Der Mann vertiert in ihren Glas- und Gitterzwingern:
Sie salben meine Stirn mit Blut und Eigentunken.
VI
Ritt
Das Reiten ist ein Heimgang zum vertrauten Sterne.
Den Menschen hat das Pferd ins schwarze Tal begleitet.
Der Gaul entstammt wie du der tiefsten Schwebeferne:
Nun wird der Reiter zum Kometen vorbereitet.
Wie lebhaft unser Traum den Schlafenden geleitet.
Das Roß war da, um dich ins Reisen zu verführen.
Du fühlst, wie sich ein eignes Kreisen mondhaft weitet;
Wo du erscheinst, erreichst du mich durch Silbertüren.
Ich reite fort, durch mondumschloßne Schimmerpforten.
Die Sternennacht umgeistert mich in Spiegelzimmern.
Ich trab im Osten auf. An nordgebornen Orten
Beginne ich erschattet im Palast zu schimmern.
Mein gutes Roß, ich wühle mich in deine Mähne.
Wir bleiben über unserm Herkunftsstern erhoben!
Das war ein Sturz! Ich sah das klammernde Gegähne
Vom kommenden Gemäuer, das wir blauhaft selbst beschoben.
VII
Gesicht
Die Träume werden von den Fischen fortgetragen.
Wir strömen schlafend in die Zuflucht der Kristalle.
Du wandelst dich in einer klaren Wanderhalle:
Das Wogen um den Fisch ist eigensanftes Wagen.
Wir werden silberblau vom Mondfisch fortgetrieben.
Der Mond ist unter uns: wir dürfen schlafhaft reiten.
Die Wandelwände gleichen sich auf sieben Seiten:
Wie wahr die Wasserwürfel sich durch uns beschieben.
Die hergeträumte See wird selbst zum Sterne werden.
Wir sind ihr wachsam auf den Berg zuvorgeschritten,
Gelangten zu der Seele ungeheuern Mitten:
Wir kehren heim und unterträumen eigne Erden.
Darum ist unser Alp so drückend schwer zu kürzen.
Wir müssen Schreckensgipfeln auf dem Atmen spüren.
Zurück zum Traum mit seinen flinken Flügeltüren:
Wir werden dieses Meer zu den Kristallen stürzen.
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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