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Theodor Däubler
Päan
und Dithyrambos . 1. Auflage 1924
VII
ALKMENE
harrt - verheiratet, doch nie begattet -
Amphítryon übt erst an ihren Feinden Rache;
Wann kommt er heim, daß ihr Geblüt zu Glut erwache,
Wo ringt er um den Hochzeitskuß, den sie gestattet?
Kein starres Warten hat die Strahlende ermattet;
Der Mann erscheint - wohl er -: "Gemahlin, trink und lache,
Aus goldnen Bechern schlürf uns Rausch, der Glück entfache!
Die Mörder deiner Brüder modern unbestattet."
Doch drückt sich Zeus die Jungfrau an das starke Herz,
Er war, als Gatte anzusehn, ins Haus geschlichen,
Und Dionysos, durch seine Gabe, half beim Scherz.
Am dritten Morgen ist dem Gatten er gewichen.
Der Tausch gelang: so traf Alkmene nicht der Schmerz
Des tückischen Betrugs, da sich die Männer glichen.
Alkmenes Frucht ward reif aus Zeus' geborgnem Samen;
Nach schwerer Wochen Wehen ist der Sohn geboren,
Den Zeus für Theben sich zu Heldentum erkoren,
Er sollte, löwenstark, nach keiner Tat erlahmen.
Die Götter zechten unterm Regenbogenrahmen,
Als Hermes mit dem Kind, aus Wolkentoren,
Wie ein Erstrahlter, zwischen Brüdermeteoren,
Vor Hera trat; und Herakles gab sie den Namen.
Den Zeus-Sohn nahm die Himmelsherrin an die Brüste,
Gewährte ihm die Milch aus eignem Sternenborn
Und dachte hold an uns, als sie den Knaben küßte;
Dann faßte Eifersucht die Göttin - alter Zorn.
Als ob sie eigne Welten stolz gebären müßte -
Vergoß sie Milchstraßen und rief: Beginnt von vorn!
Die hehre Himmelskönigin begehrt vom Meere:
"Gestirnte Schlange, die, sich spiegelnd, zu dir sinkt,
Gib, Tethys, als ein Drachenpaar, das Kindsblut trinkt,
Zur Rache mir, für zwiefachen Betruges Schwere!
Ich tränkte meines Gatten - menschlicher Verkehre
Mit List gebrachte - Brut, die wie ein Sternbild blinkt,
Denn Hermes hat, geneigt zu sein, mir schlau gewinkt,
Daß ich, vom Hassen übermannt, mich nun verzehre!"
Hephaistos, der im Blut der Mutter zerrend mahnte:
"Verweigre Herakles die Brust, den du benannt!"
Entzüngelt sich aus Hera, die sein Flammen ahnte.
Die Drachen, durch der Göttin Zorn im Salz entbrannt,
Umhalsen Herakles, wie arge Rache plante,
Der Knabe aber bändigt sie mit rascher Hand.
Tiresias deutet: Dionysos, der Milde,
Kadmeias Held, den Dirkes Wasser säugte,
Beschirmt den Widder, der sich styxzu beugte,
Die Myrte glimmt der Hirten Sternenbilde;
Dem Zeus-Sohn hilft Athena mit dem Schilde,
Da Hera Drachen unsrer Zuflut zeugte,
Als sie der Fische Herkunft hoch eräugte:
Verhängnis dieser Berge und Gefilde.
Die Ungeheuer hat das Kind zermalmt:
Der Moiren Tun, im Blute urersternt,
Bleibt den Geschlechtern Kadmos' noch umqualmt.
Der Fische Seelenblitz weilt weltentfernt.
Den Lenz, der sich bebäumt, erblüht, umhalmt,
Besorgt, bis ihr sein Wundertum gelernt!
Apollos Sang: Tiresias Seelenschau ist wahr!
Bevor die leiblichen Delphine Lieder bringen,
Wie holde Schwäne, Morgensonne lobend, singen,
Zertrümmert Argos und der Hera Waltungsschar.
Zu nahenden Gestirnen blickt des Vaters Aar.
Karneios starb - mir kann die Widdertat gelingen -
Sein Atem konnte meinen Hauch empor beschwingen,
Erscheine ich der Welt, vernebelt die Gefahr.
Des Himmelsauges Adlerpaar benannte Nabel
Des Daseins: Delphi, wo ich Gott und Dichter bin:
Mit Krallen, Schnabel wehrt sein Flug bei Weltungsgabel.
Der Tag als Anmut leuchtet klar durch meinen Sinn.
Kitharaspiel berief sich Gottheiten aus Babel,
Ein Sieg des Dionysos wird hohem Geist Gewinn.
Apollo sinnt: wie Lerchen schmetternd frohen Lenz,
Aus Phrygiens Triften, auf die holden Hügel holen,
So schlüpfte sich Marsýas, mit verstohlnen Dohlen,
Die Springbrut Kybeles', in schmückendem Gekränz,
Durch Thrakien, zur Silenensippschaft; dort scharwenz,
So hoffte, hüpfte er, an Midas wohlempfohlen,
Sichs flötend froh umher, und tanzt' wie Frühlingsfohlen,
Denn mein Geheiß: "Kein plumpes Hergespring! Beends!"
Vermochte nicht das Waldgetaumel zu beschwichten;
Marsýas brüstete sich dreist, er sing sich Sieg,
Wenn ich und sein Geblüt gegeneinanderdichten!
Geschunden ward, der sich zum Wettspielen verstieg,
Auch Midas, schamlos gegen meine Kunst zu richten,
Ist jetzt Silen mit Eselsohr, weil er nicht schwieg.
Apollo denkt; "Der Knabe Herakles gedeihe,
Als Liebling sanfter Musen im Kadmeialand:
Er trage meinen Lorbeerkranz mit sanfter Hand,
Behutsam vor dem Mädchenchor zur Tempelweihe;
Ich mag, daß Rhadamantys ihm den Rat verleihe,
Vom Gott erwählt zu sein - doch eigen-Klang-gewandt:
Er halte meine Macht zum zarten Gegenstand,
Daß ich die Funken seines Blutes reif befreie!"
Für Sang beim Leierschlag ward Linos der Betraute.
Er zeigte Herakles beherzten Fingergriff:
Des Hauptes Himmelruck zurück besternt die Laute.
Den Flinken aber fertigte kein feiner Schliff:
Der Knabe faßte fest die Laute, schwang sie - haute
Apollos Preiser tot - enttollte froh und pfiff.
Apollo lacht: "Amphítryon, schick deinen Knaben
Ins Helikon zu Hirt und heiterm Hirtenkind,
Dort sing er ohne Kunst, sein Lehrer sei der Wind,
Es mag ihn eine Wildsau oder Bärin laben!
Auf Jagd, werd ihm Begeistrung eigner Gaben!
Ein Wolf aus solcher Hand bleibt mir als Angebind,
Sein Reden ist beschwerlich, doch der Gang geschwind:
Er klimme wie die Wolke, liebe meine Raben!"
Bei Thespiä wüteten dereinst des Jünglings Blicke
Wie Flammen einem Löwen, der ihn anfuhr, zu:
Er bändigte das Tier und legte es in Stricke.
In König Thespios' Schloß begab er sich zur Ruh.
Auf einmal dünkte ihn, zu fünfzig Töchtern schicke
Ihn Aphrodite - er beschlief sie auch im Nu.
Amphions Gesang, der im Hades gewittert,
Begeistert Thebaner, ihr Tanzlied erzittert:
"Silene mit Satyrn, Gespiele des Pan,
Enthüpft den Gebüschen, ertaktet die Bahn
Nach Attika, wo euch Ariadne erwartet,
Auch Dionysos kommt, den ihr brünstig erharrtet!"
Auf Bellerophon blicken stolz die Korinther,
Sein Pegasos pocht an des Helikons Sinter,
Daß Jung Hippokrene, die Nymphe, erwacht,
Aus flutendem Felsspalt zum Blitzherold lacht;
Da lauscht Echo auf - ja, sie lallt nach dem Platschen,
Das reizt manchen Satyr zum Lachen und Klatschen.
Jung Herakles heiratet - Mégara, Tochter
Des Keon, Gewaltherr von Theben, vermocht er
Zu freien. Wohl sprach sie der König ihm zu,
Doch Hera beleidigt des Zeus-Sohnes Ruh:
Der Ehe Verwalterin schickt ihm Umnachtung;
Im Wahne vollführt er entsetzliche Schlachtung.
Er dünkt sich Apollo - mit treffenden Pfeilen
Ermordet er toll sein Geschlecht - es enteilen
Ihm Mégara kaum und sein Vater, den alt
Athena beschirmt vor des Wirren Gewalt;
Silenen gelingt durch Klistier seine Heilung,
Dann rät ihm die Pythia aus Theben Enteilung.
Mit Herakles wandert auch Iólaos heiter
Nach Tiryns, dem Freunde ein starker Begleiter:
Eurystheus erschrickt vor Amphítryons Sproß,
Verschließt auch die Pforte vor seinem Genoß,
Doch Herakles schultert ein Untier mit Wonne,
Da steckt schon der König geduckt in der Tonne.
Mykenä in Aufruhr! Auch Argos wird munter.
Der Pan aus Arkadien stieg brünstig hinunter,
In Sparta ward Helena plötzlich vermißt,
Auf Weib und auf Thron lüstert nächtlich Ägisth;
Für Rache an Paris versammeln sich Helden,
Ein Satyr rennt rasch, es Athenern zu melden.
Im Blute erfunkelt, gibt Dionysos Kunde:
"Ich bin unter euch! Eleusis im Munde,
Durchwandre ich traubengebärendes Land,
Den Thyrsosstab schwing ich mit spendender Hand:
Vergangenheit glüht. Vom Hades erstanden
Sind Helden und Helfer aus schattenden Banden.
Mein Thespis, bekränze mit Efeu den Karren,
Silene rückt an - er wimmelt von Narren.
Bebändert die Becher, ihr Satyrn im Kreis,
Bereitet den Widder und reitet die Geiß:
Ariadne, ich komme, schon beugt sich dein Panther,
Kein Gott sei euch freudiger, bluthaft verwandter!"
Evoë, Evoë! Dionysos schreitet
Gelockt und bebartet hinab nach Athen.
Im lispelnden Ölwalde spricht und geleitet
Sein heiliges Atmen der Wesen Erwehn.
Evoë, Evoë! loben Dryaden
Den reichen Erfüller vom attischen Lenz.
Wo Nymphen zum lauten Kephissos hin baden,
Entsteigt ihm der Flußgott im Muschelgeglänz.
Kéramos, Sohn der Ariadne, begegnet
Dem sorgsamen Vater und winkt ihm beherzt:
"Verlaß nicht die Mutter, mit Trauben gesegnet,
Ihr naht der Umfremdung, von Satyrn bescherzt!"
Evoë, Evoë! kreischen Silene,
Sein Purzelbaum schlägt ein Gebüsch-Ägypan.
Berauschung beschließt die vergeßbare Szene,
Ersinnung verblitzt auch in Kéramos' Wahn.
Athena wacht auf dem Pentelikon.
Der Spaß um Herakles bedroht den Hort
Geweihten Opfergangs - sie sondert Hohn
Vom Heldentod - durch hoch-erwognes Wort:
"Mein Theseus, bleib zu Aphidnä bereit,
Ariadne in Verlassenheit zu frein:
Sie führt dich früher noch ins Weltenweit,
Aus eigner wirrender Verlorenheit!
Du bändigtest den Stier von Marathon,
Der Kreter Unhold auf Athener Strand,
Den Minotauros schlugst du tot vom Thron,
Durchs Widdertum verfüge mit Gebieterhand!'
Auf seinem Berg spricht Ägeus' stolzer Sohn:
" Athena, Herrin meiner starken Stadt,
Dir frei zu dienen, sei des Helden Lohn:
Kein Hohn soll Agamemnons Ruhm bedrohn!"
Apollo weist, durch Mittagsblick, dem Helden:
"Ich mochte, als Delphinios, dich, mit Wink
Zur Seefahrt, Aphroditens Walten melden,
Sie schenkte dir bis Kreta Meergeblink.
Die Ziege, die dein Herz zum Opfer brachte,
Ward jenes Gottes Bock, den heute du,
Erfreut, als Wohltäter Athens betrachte,
Doch nun, was ich befehlen werde, tu!
Für Ägeus' Tod, durch deine Schuld, zur Sühne
Bewahr am Trauerort der Ahnen Herd.
Um Dionysos' Altar, auf hehrer Bühne,
Sei Hellas' Heldenherkunft voll geehrt!
Beschirm Athen vor der Erinnyen Wüten,
Mit Speer und Schild steh fest vor ihrem Spalt.
Doch sollst du keinen frohen Spott verhüten:
Belaß das Satyrspiel der Spaßgewalt!"
Apollo lächelt Dionysos zum Gruße:
"Die Menschen, Mischlinge der Götter, lehrt
Geläutertsein ein Held im Hochbeschlusse
Zu freier Eigenheit, die ewig wehrt.
Bloß Rhadamantys' Geist beruft den Richter
Zur Reinheit: wer sich wagt, gelingt der Stil:
Eleusis' Demeter beschert den Dichter,
Auf dessen Seele Kores Anspruch fiel.
Erscheine Melpomene, tiefen Schreitens!
Wie Hérakles, mit schwerem Löwenfell,
Tritt auf! Du gibst den Takt des Hergeleitens
In Gold Gekleideter: dein Sang sei hell!
Thalia, leicht dem Panther umgeschwungen,
Verspäte nicht dein scherzbelebtes Spiel:
Hat Polyhymnia mein Gedicht gesungen,
Sei Terpsichore frohen Blickens Ziel."
Mein Altar!" ruft Dionysos, den Thyrsos schwingend,
Der Chor springt auf, den Dithyrambos singend:
"Zum Vorbruch auf die helle Szene rüstet euch!
Eroberung durch Tat, nach Seufzen und Gekeuch,
Versprach uns Dionysos, durch Opferbrauch
Der Lebenden; und schon beweht des Widders Rauch
Die Seelen der Athener in der Unterwelt:
Erstaunt, wie Theseus sich vor die Thymele stellt! -
Dem Helden, der uns Hades' Rat erfuhr,
Er sei noch leibhaft, aber ohne Schattenspur,
Ergebt euch als Gefolge vor dem eignen Gott,
Der freien Herzen Lob erteilt und feigen - Spott!
Der Ahnen werden wir am steilen Schritt gewahr,
Der Finsternis entsteigend, sinkend wie der Aar."
Der Satyr kommt, und mit dem Weinschlauch der Silen!
Bei Sang und Syrinxspiel wird sich der Reigen drehn.
Der Wald erhüpft in Lust den Jubel holder Stadt,
Der Weinberg torkelt selbst, weil er den Bockfuß hat,
Mit Dionysos' Geleit, zu Freunden in Athen:
Ariadne sonnt sich stolz, bei großem Wohlergehn.
Halimus, im Winter 1922 - 1923
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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