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Theodor Däubler
Päan
und Dithyrambos . 1. Auflage 1924
IV
AUF Delos' hellem Riff erstrahlt ein Mann in Stein:
Durch große Augenpforten geht die Sonne ein.
Für Helios und Apollo stehn sie beide offen;
Der Rhodier tut uns wohl, auf Phöbos bleibt das Hoffen.
Dir sollen, zweier Augen mächtig, Sonnen sondern:
Das Wortgestirn besingen! Durch Apoll, den blondern
Begeisterer aus Sonnenstolz - zu Lob beschwingt,
Das Lohen Helios' preisen, wo der Tag erklingt.
Das neue Weltjahr kann der Wachsame erschauen:
Wie Götter herrlich dasind: was Giganten bauen.
Zur blauen Reinheit, wo der Sonnenvogel ruht,
Verschwört sich Uranos' verworfnes Ursprungs-Blut.
Erglüht in goldner Widderwolke Kronos' Rache?
Ob Python Flammen speit, der abgefallne Drache?
Um Phlegra starrt der Riesenbaum mit Flammenmähne,
Den Athos und Olymp bedroht umraucht Pallene.
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Porphýrion, der Starke, erwacht, stammelt Flammen,
Dann - aufgereckt, schnaubt er sein Götterverdammen.
Doch Alkyonéus, der Fürst über Gletscher,
Verrenkt sich zum malmenden Riesenzerquetscher:
Der Aufruhr verqualmt durch die ragende Schwere,
Gigantische Knäule bestürzen die Meere:
Apollo wird kündbar - sein Siegen ist Lächeln,
Er spielt heitern Frieden, den Seehauche fächeln.
Kallímachos, hilf mir, den Lichtgott in Bildern
Beherzten Erstaunens, auf Delos, zu schildern!
Er segelt, von schwimmenden Inseln, mit Schwänen,
Die glitzernde Zügel, erklingend, besträhnen,
Zum sichernden Eiland, auf flüssigen Säulen,
Umflügelt von Tethys' entwolkenden Gäulen:
Beblinzelt mein Blicken verträumt Rausch und Feier,
So prunken die Gluten zerwogender Schleier.
Amphions Lied, erheitre mich den Musen!
Nun singt das Helikon sich Aganippe;
Bis Delos klingt die Sehnsucht süßer Lippe
Der Nymphe, mit dem weichen Woge-Busen.
Apollo horcht dem Sang auf goldner Klippe:
In Liebe schallt sein Ruf um Hippokrene
Dem Bergquell froh entschwommener Sirene,
Und schon umglänzt ihn hold die Wogensippe.
Es opfert Orpheus an Olympos' Lehne
Der Musen strahlendem Smaragdenreigen,
Gespielinnen, die sich zu Nymphen neigen,
Als ob ihr Lenzgesang den Quell ersehne.
Doch Orpheus hört Apollo niedersteigen:
Den Götterberg umhüpften Felsenflüsse,
Es grüßen Amseln die Musikgenüsse,
Und Musen schweben sie durchs Himmel-Schweigen.
In Orpheus' Lied ersprühen Zeus' Beschlüsse:
Des Sängers Herz bringt den Olymp Gestirnen
Und überglimmt die See mit Schwebefirnen.
Um Samothrake glühen Horen-Küsse,
Bei Delos ruht die Burg, an Liedeszwirnen,
Als Heim der Seligkeit, im Flug gehalten.
Wo Preisungen der Priester hehr erschallten,
Erleuchten Götter groß der Seher Stirnen.
Begnadend loht Apollos hohes Walten.
Karneios, Kind des Widdertums, erhalt es!
Doch trotzt vor Delos der Gigant Ephialtes,
An den sich Mimas und dann Rhoetos krallten.
Die Leier Orpheus' löst des Wolkenhaltes
Apollo schräg bestürmende Verknüllung:
Der Musen Chor verhimmelt die Erfüllung
Der Weissagung geweihten Python-Spaltes.
O Zauberkranz olympischer Enthüllung!
Athenas Speer hat Pallas' Hauch gebrochen,
Und Klytios vor Hekate sich verkrochen.
Poseidon lacht zu Polybots Bebrüllung.
Porphýrios stirbt von Herakles erstochen.
Mag Hera strahlend, dumpf im Blute, wüten,
Verstellungskundig über Aufruhr brüten?
Den Busen wogt, berost des Herzens Pochen.
Wie sacht die Götter ihre Musen hüten!
Um Delos geistert sie Apollos Leier:
Poseidon horcht, als wär sein Meer ein Weiher,
Tanzt Erató wie Morgenluft in Blüten,
Verschmiegt Kalliópe ihren Takt zur Feier.
Es merkte Klio wohl den Zank bei Hofe,
Doch Polyhymnia freut die neue Strophe:
Dann rauscht Thalia um die Götter Schleier.
Apollo weissagt Heras Bosheit seiner Brust,
Doch lächelt er, ein Adelnder, ob frevlen Spottes:
Sein Aufschwung leiht Begnadung, holder Übung Lust,
Er pfeilt den Sonnenstrahl, als Schickung eines Gottes.
Apollo kommt von Eisland her und herrscht durch Zucht.
Sein Walten bleibt: im Wesen bis zur Sonne ragen.
Unendlich leicht verklärt sich seine hohe Sucht,
Auf See soll Helios, in der Seele Phöbos tagen!
Apollo fühlt der Erde herrliche Geburt
Und liebt sie in der schlanken Leibeshülle:
Erfahrt, die ihr zu reiner Stolzheit schwurt,
Es hegt sein Blick was weihereif und schmäht die Fülle!
Der Musen sachter Gang vollendet seinen Schritt:
Er schwebt die Sicherheit des zartbewognen Tanzes.
Wer glitzern darf, gelobt sich ihm und leuchtet mit,
Apollo kommt als Wagnis siegesfrohen Glanzes.
Karneios' Widderopfer raucht bis aufs Gewolk,
Wie Alabasterform bei marmornen Gesichtern;
Der Kommenden Verheißung neigt den Blick zum Volk,
Des Himmels Götterkunft ergeistert sich in Dichtern.
Semele, Kadmos' Tochter, schwängert, laut aus Rauch,
Des Ungewitters Zeuger, durch des Blutes Funken.
Es schmähte Heras Eifersucht: Mein Zeus, als Hauch,
Entweicht der Lust, er zeige seines Stürmens Prunken!
So war Semeles Wunsch erwacht, voll Glut erfüllt.
Das Weib starb hin, ihr Kind birgt Zeus in steilem Schenkel,
Schon Efeuschlangen hatten ihn dem Neid verhüllt,
So ist der Dithyrambier Gottes Sohn und Enkel.
Die Wolken überglüht am Mittag Wonnerot.
Bloß Heras Scheingefild erblaßt durch Zorngefühle
Das Widderopfer hat auf Delos ausgeloht:
Die Götter Überschleiern sich im Fluggewühle.
Bei Sonnengold zerflügelt holdes Meer ein Kahn.
Durch Traum ward Dionysos im Traubenzelt gestaltet.
Des Segels weiche Seide spann sich Wunsch aus Wahn:
Auf Nysa hat es eine Nymphe zart entfaltet.
Delphine schillern durch die sachtgekrauste Flut.
Erscheint der Gott, so krönen ihn Assyrerlocken.
Berauschte er euch froh, daß ihr, ihn träumend, ruht,
So hört den sonngebräunten Knaben blond frohlocken!
Des Blitzes rasche Zacken furcht der Kahn in See:
Von Naxos gleißt er aus, wo traut Ariadne wartet,
Schwirrt auf, daß Aristäos ihn als Pflegling seh,
Doch strahlt zu Makris und Dorippe er bebartet.
Von Ikaros glückt ihm die Jünglingskunft zurück.
Nicht mögen kühn Tyrrhener seine Fahrt belauern.
Ariadne sorgt, daß Naxos sich mit Früchten schmück,
Der Blitz der Rebe soll das Menschenblut durchschauern!
Zur Widderfeier weiht Karneios die Vermählung
Apollos mit der Tochter Stáphylos' auf Delos.
Ihr Vater, Sohn des Dionysos, gebar sie ehlos,
Und Rhoeo war ihr Name: nach Apolls Erwählung.
Als Gattin ward sie Anios' Mutter, des Propheten,
Er sah durch Vaters Erbkunst seines Ahnen Nahen
Und lobte alle Taten, die durch ihn geschahen,
So konnte er Apoll und Dionysos vertreten.
Bald freite Anios froh ein Nymphenkind: Dorippe,
Mit Kypris' Blut, aus dem Gefolg der Aphrodite;
Sie stand als holder Stern, zur Hochzeit, im Zenite
Und führte Bräutigam und Braut sich an die Lippe.
Es sollten die Verehlichten drei Mädchen zeugen,
Und durch so hehrer Götter Einflüsse gelang es:
Sie liefen: Oino, Spermo, Elais - flüggen Ganges,
Nach Wein, um Korn und Öl, am Feld sich bloß zu beugen.
Thalia, schlanke Ionierin, Muse mit dem Pantherfell,
Erlaub, daß ich mich laubbekränzt, laut zu deinem Spaß gesell!
Bewimpelt wie ein Thyrsosstab, gaukelt uns Geträum als Kahn,
Ich selber bin mir Mann und Mast, und mein Segel ist ein Wahn.
Ich halt ihn breit den Wünschen hin: flügge schwebt sichs über Schaum
- Gefährten folgen - auf zur Fahrt! Alle freut der flinke Traum.
Die Wogen kullern straff wie Fleisch; Hände klatschen hurtig drauf,
Wie Nixenblicke flimmerts rings; hasch dir eine Braut im Lauf!
Hier und fort schwupst ein Delphin: hopsen Nereiden mit?
Das Segel weg und aus dem Kahn! Lieber wag ich auch den Ritt.
Die See ist unsre Lustgewalt - alles Schlünde aus Gestalt.
Ich sause einer Nymphe nach, tauche in kristallnen Spalt.
Im Silberreiche schwirrt ein Mond, Tethys staunend zugebannt,
Er kugelt sich als Fisch herum, doch sein Blick ist uns verwandt.
Sirenchen, durch den Säulenfluß, schlüpf mit mir aus Grelligkeit,
Geschwänztes Weib, gar dünn am Leib, schnell bin ich und lustbereit!
Korallenraffend, dir zum Schmuck, schlürf ich deine Auster aus,
Den letzten Schmatz, in frischer Hast, raubt mein Satz zurück zum Saus.
Aus Naxos wogt sich Dionysos, jungen Bluts, auf Delos zu:
Sein Auge sternt uns Mitternacht, gut gefunkt aus dunkler Ruh.
Bei Sonnenglück, Seeseligkeit, herzzu geistert ein Rubin:
Ich fühle stiller Wehmut Tun, über uns dem Gott entliehn.
Tritone kräuseln seinen Schwung, blitzgetreu und urgenau,
Geweiht durchs Ziel, doch freudenwärts - und ihr Blick zuckt traubenblau.
Vor Delos taucht der Zaubertraum, Rebenzelt und Bändermast
Auf einmal unterm Gotte auf: Seidensegel, Goldgequast
Sind schmückender als vorgefaßt. Schwebe-Samt, Ariadnes Rast,
Wird schmiegesacht bei Wellenhast, schaukelt seinenackte Last.
Der Mittag blüht, vom Weib berauscht, Küsse aus der Rosenhaut;
Mit Purpurtraum verhüllt sich drum Dionysos die traute Braut.
Ein Wogenroß mit goldnem Huf, Dank Poseidons an Apoll,
Befittigt sich von Delos fort, holt den Gast ergebungsvoll.
Wir plantschen mit durch laue Flut, frischer Gischt behagt dem Blut:
Nun tute du, mit Brust und Mut, was an Braus in Muschelhut!
Mir brachte sie ein Wunsch vom Grund perlenreichen Silbermeers;
Jetzt schreckt Gehetz zerschleiernd her. Herz bleib frei - der Leib durchquers!
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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