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Theodor Däubler
Päan
und Dithyrambos . 1. Auflage 1924
I
DAS Meer ist stolz auf seinen Schaum der Wogenbrüste;
Wie hoch die Sonne kommt: wer wagt noch zu verzagen?
Aus Alabaster wolkt sie himmlische Gerüste;
Zeus donnert durch, Apollo gleißt auf leisem Wagen.
Dem kühnen Gott, als Jüngling, glüh mein Laut ins Blaue,
Dem holden Delier, mit den goldgeschirrten Rossen:
Sei leicht, du Schwung, zu rhythmenreichem Silbenbaue,
Bleib Glas, mein Sang, wenn sich ein Tag in dich ergossen!
Ich blick empor: erschau den Gott, beim Flug zum Siege;
Befreundet still gewahrt er traumgewohntes Auge:
Geräuschlos sei, wenn deine Seele himmelnd fliege,
Befrei vom Schwindel dich, wo sie zur Stiege tauge!
Apollo kommt, sei du im Norden oder Osten:
Entstrahlt er dir, so bleibt uns doch mein eignes Hoffen;
Der Tag bringt Schlacht - nach Morden rasch der Waffen Rosten -
Wir wollen ihn, steht auch der Sternentempel offen!
Die Seele mag nicht sterben, muß sich freudig weiten,
Da Hellas' See um Marmor-Inseln strahlend brandet;
Mit warmer Hand will dich der Tag in Braus geleiten,
Du brachtest eigne Rast: da sieh, du bist gelandet!
Um unsre Ruhe nur darf Flut als Glut erjubeln.
Auf heller Klippe steh, Apollo ernst zum Gruße!
Umschwärmt, laß deinen Kranz von Tunfischen vertrubeln:
Der Gott gibt Gold. So oft. Verschenk dich gutem Kusse!
In Frommheit laß den Leib mit Salben sacht begolden!
Wie hold, o Mensch, soeben dir geschieht - vom Gotte.
Um deine Lenden, merk, frohlocken Sonnendolden!
Blauäugelt, horch, die Nymphe dort, zum Wort der Grotte?
Die Tropfen wohl erzählen bloß vom Eiland Wunder.
Apollo hat das Kind an goldner Brust gehalten,
- So lang und sanft - dann wurden seine Stunden wunder
Und bluteten dahin, bis sie wie Traum entwallten.
Hephaistos, hilf mir nach der Sehnsucht Erde,
Verleib dich uns: bist Blut, in mir bleib jung;
Zum Schwingenritt, gegen Poseidons Pferde,
Ermächtige mich du, bei Bändigung!
Wir stürmen steil Boreas' hurtiger Herde,
Die Meerzerwühlt - aus Trotz, durch Satz und Schwung -
Wo sie zergischtend aufsaust, in die Schräge:
Heul, Hirtenhund, denn keine Wucht sei träge!
Hephaistos, spann zur Arbeit Männerarme!
Aus deiner Werkstatt ist mein Dasein Flug:
Ein Glutenruf enttaktet mich dem Schwarme
Und fügt uns dem Geschehen, Zug für Zug.
Durch deinen Brodemsorg, daß Pech erwarme,
Dem Schiff entzüngle dann, an frohem Bug:
Befestig jede Fuge, Herr der Flamme,
Bleib alte Tat mit dem Achajer-Stamme!
Ein Moos, verschlammter Anker Traum vom Meere,
Verschwand; korallenfarbiges Schiff ward wach.
Zur Fahrt ummuntern uns Delphinenheere,
Sie silbern lebhaft, wie im Meer ein Bach.
Im Segel knarrt am Morgen Windes-Schwere.
Wir sternen auf: wie schwebt sichs allgemach!
Zu Hermes hörten wir im Hafen Stimmen:
Er gab uns Fracht. Ich folgte ihm: wir schwimmen.
Hephaistos' Kraft, in rostigroten Gliedern
Von Männern, stolz zur Fahrt durch mein Gedicht,
Befächert mir die Flut zu andern Liedern,
Aus Himmel oder Meer: blau im Gesicht.
Das Schiff geschmeidigt sich aus feinen Miedern,
Mit Hermes' Sendungen, als Leicht-Gewicht:
Gallionen-Weibchen, schlank auf krausen Schäumen,
Dem Schleierhemd: ich will dich lebend träumen!
Du heißt Halkyone! Den Schwung zur Stille
Erfahnde uns, auf wunderhafter Fahrt!
Im Weltei Schlummer! Ich des Schöpfers Wille!
Er schützt sein All, nach Vogels sachter Art.
Schon glüht die See, mit gläubiger Pupille,
Befächlung freundlich uns, denn Zeus gewahrt,
Geliebtes Schiff, auch dich, beim Inseln-Kränzen:
Halkyone wird nisten, Phöbos glänzen.
So viele Sonne hat uns eingeschleiert,
Daß Inseln mich, wie Wölkchen, weitumwehn.
Der Wind ist weg: wie oft ein Lied verleiert,
Gewahrt ich meines Kielschäumens Zergehn.
Doch Rhythmen straff! Apoll sei steil gefeiert,
Bewimpelt Masten, Männer: ich will stehn!
Zu Rudern greift, verzackt die Fahrt zum Sterne,
Zur Ferne Hinweh zuckt vom Herzenskerne!
O Glück als Gott, Apollo, laß geschmeidig
Mein segelndes Gedicht, sein Gischtgeschmeid,
Der Sturm-See Tempelberg, der schroff und schneidig
Das Meer zerflügelt, mit Behendigkeit
Und Kunst, umzieren - falls Kap Sunion leidig
Als Hort, Poseidons Rosse bleich versammelt
Und Nahenden die Schaumpfade verrammelt!
Wie Traum verwolken im Gesang Gefahren,
Schon schau ich Helena, von Flut bekraust.
Bestaunte Insel, laß dich keusch gewahren -
Ich lande nicht: bleib Name und umbraust!
Getränte Blüten - weiß ich - offenbaren,
Daß Paris' Braut vor eignem Raub gegraut:
Die Herrin Spartas weinte zu den Krumen,
Noch sprühn dem Eiland ihrer Augen Blumen.
Des Honigs Heimat Keos lobt die Sonne,
Der Aristaios, Sohn Apollos, lieb,
Seit Sirius er, bei holder Windeswonne,
Mit Hieb der Regengeißel frisch vertrieb;
Dann füllte Dionysos der Keer Tonne,
Doch auch des Pfluges guter Spender blieb -
Drum fühlst du noch der Insel Früh-Gedeihen,
Weil Götter sich des Ackerns Sorgfalt weihen.
Der Insel Kythnos Weib in goldnen Schleiern
Empfängt den Abenteurer, froh durch Stolz,
Besorgt sein Sprudelbad bei warmen Weihern,
In die Hephäst, zum Heil, sein Eisen schmolz.
Gestalten waten drin, bekreist von Reihern,
Im Haine duftet Harz von edlem Holz:
Ich will zum Dank gar leichte Weise singen,
Dann winkt im Wind das Schiff, mit weißen Schwingen.
Eumäus! schrie ich Syra zu, bei Sternen.
Doch Eos! rief der Fels: die Maid ward wach.
Ach, sie entfinsterte mit Froheit Fernen,
Wie Traumgewölk vor trautem Brautgemach.
Sie trat vor mich: "Du sollst von Sachtheit lernen:
Dein Takt erschwebe mich, als Weib, gemach,
Das rosenfingrig Knabenlocken kräuselt,
Zurückblaßt, wenn es Hast - bei euch - umsäuselt!"
O Delos, große Diamantenkrone,
Du schwebst, von meinem Zwinkerblick gewahrt,
Auf blauer Luft, erhoben oft zum Throne,
Hinweggetaucht - dann wieder nah und zart;
So glimm bei mir, dem Wogenden zum Lohne,
Ich klimm, ich schwimm zu deiner Gegenwart,
Ich kann nach meinem blendend-hehren Reifen
Mit hingedichteter Gebärde greifen!
Bei offnem Marmor-Ei, voll goldnem Wasser-
Weil seiner Klarheit ein Geschwisterpaar,
Bei sanftem Palmenschatten, als ein blasser
Ertauungshauch, emporgeschleiert war-
Zerträumt' ich Schlaf: mein jüngster Leib, ein nasser
Zuschwimmungswunsch, wo Leto einst gebar,
Bestand auf Delos, Eiland der Verzückung,
Seit früher Seele eigner Urentrückung.
Geliebte Götter, hört, als ihr entschwebtet,
Versprudelte des Kynthos Flut - euch nach!
Ein Born, den ihr durch Himmelschwung erbebtet,
Verschleppt den Nil, seit er den Fels zerbrach;
Ägypten schwellt ihn, wo ihr kindlich lebtet,
Da er zu euch, durch Meer und Mütter stach:
Du Delos, zwischen Schlummern, Fels im Lichte,
Beseelst die Gottheit unsrer Wahrgesichte!
Apollo, schlanke Mittagskunft vom Meere,
Die Palme war, vor deinem Himmel, da,
Blieb tief der Baum, voll Weltung in der Leere,
Ihr Dunkelblut erstrahlte einmal: Ja!
Seitdem bist du: ein Ich erkernt die Ehre.
Die Welt erkreist sich, durch dein Leuchten, nah!
Ein Unermüden wurde Pflicht, und lüden
Wir Sonnen uns aufs Haupt: es glückt der Süden!
Theodor
Däubler . 1876 - 1934
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