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Päan und Dithyrambos
162 Bücher



Theodor Däubler
Päan und Dithyrambos . 1. Auflage 1924



VI

DAS Meer umbraust den Felsen, wo ich raste,
Und über Thymiandüfte summen Bienen.
Vom Himmel wolkt sich sachte goldne Quaste,
Ein Segel ist, auf Eiland-See, erschienen.

Hymettos, stummer Elefant aus Fels,
Du schläfst? Empfange meinen Freundesgruß!
Ich bin wohl Strandgut fröhlichen Gewells:
Der Fuß erstieg fürs Herz sein Hálimus.

Geneigte Sphynx, lieb Ägina, gib Wellen
Erklärung meiner Herkunft vor Athen.
Wenn Boote sich um deine Bucht gesellen,
Laß eines Zéphyros herüberwehn.

Im Süden sah ich lauter Aphrodite,
Vom Norden blinkte mir Apollos Schwan,
Und als ich traumhaft zu Ariadne kniete,
Erweckt ich, in mich eingegrottet: Pan.


Verwunschner Berg, ich bin durch Dionysos gestorben.
Wohl weil' ich hier, doch führt mich freundlich ein Gesicht:
Wir haben in Zerschmetterung den Gott umworben,
Auch Orpheus ward zerrissen und entschwand euch nicht.

Drei Mädchen schicke ich zur tiefen Felsenquelle;
Sie haben ihre hellen Kleider angetan:
Wo bleibt die Nymphe? Echo lauert vor der Schwelle -
Mit Augengluten, Feuer-Eichel schmunzelt Pan.

Die Heitern kennen bald den Gott, der sie erschreckte,
Sein Schenkelfell ist frisch wie Schaum auf lauer Flut.
Die Keckste, die im Traum den Gott beim Bocksbart neckte,
Ergötzt so harte Stämmigkeit fürs rasche Blut.

Im Weinberg hegt der Bauer sich geheime Früchte,
Dort, Mädchen, legt die müden Leiber unters Laub:
Gebärt uns Satyr-Söhnlein. Seines Vaters Süchte
Trägt jeder, in Verschwiegenheit, sich weg auf Raub.


O Demeter, ich kam, den Wein im Becher,
Vielleicht zu deiner fernen Tochter Kore:
Es machte Dionysos mich zum Zerbrecher
Geheimer Riegel vor dem Hadestore.

Ob ich sie fand? Ich kann von ihr erzählen:
Der Göttin Hand durchflocht mein armes Haar.
Beirrtheit, wüßt ich, müßte mich noch quälen,
So weilt ich schaudernd ein besondres Jahr.

Ein Blick traf die entschleiert-sanften Züge.
Der Fingerwink geschah: zieh hin und - tot!
Verlaßnes Leben, ohne hehre Rüge,
Holt ich dich ein? Wie liebt mich noch die Not!

Hab ich von Hades' Hauch das Heil erfahren?
Ein warmer Wind weht heut erwartungsschwer.
O Demeter, du magst dich offenbaren:
Verheiß im Korn der Kore Wiederkehr!


Aus Menschenschleiern lächelt Aphrodite,
Gefährtin Dionysos': doch vor der Pforte
Des Hades, wo ich glastumfächelt kniete,
Verläßt sie uns, voll Leid der Abschiedsworte.

Beglückend streift ihr Gang durch Frühlingsgärten:
Wohl sucht der Blick, wo hold der Weinstock treibt.
Gespielinnen, die sie auf Zypern ehrten,
Sind froh und oft schon da, wo sie verweilt.

Allein hast du sie niemals angetroffen.
Entschwebt das Bild, so fliegen Tauben mit.
Auf hehre Meerkunft mag ich freudig hoffen,
Wie über Wellen glänzt auch hier der Schritt.

Ich war bei Demeter - durch Aphrodite.
Ariadne winkte mich geheim zum Meer.
Nun, hohes Weib, Entschleierte, gebiete
Erfüllungen, wo meine Seele leer!

Ein Knabe lernt sein Lied bei stillen Myrten,
Ein leises Echo steht ihm schelmisch bei.
Belächelt gar die Felsmaid ihren Hirten?
Er wundert sich, fragt nochmals die Schalmei:
Auch kommts, als ob die Bienen heiter schwirrten,
Und Pan beschleicht die kleine Gaukelei:
Er kann sich zwischen Eppich nah verstecken,
Die Finger unsichtbar zur Hilfe strecken.

Schon liebt das Kind der Töne sichre Schwärme,
Erträllert sieghaft sich das erste Lied,
Hält gar für Herzensglut den Hauch der Wärme
Des Bockfußgottes mit gerecktem Glied.
Doch angelockt vom Klang und Echo-Lärme
Erscheint ein andres Kind als Störenfried.
Der Knabe lacht, es kommt des Nachbars Tochter,
Und Pan springt weg - kaum aufzuschrein vermocht er.

Das Mädchen war im Weinberg eingeschlafen:
Bei den geheimen Reben, voll Gefahr,
Wo sich zum Vater oft Gefährten trafen,
Erwachte es, als hoher Mittag war.
Die Arbeit blieb versäumt, schon fielen Strafen
Dem Kinde ein; doch da erschien ihm klar
Ein hehres Weib, in Schleiern und Geschmeiden,
Und winkte: willst du, gehn wir Lämmer weiden!

Mit großen Augen, ohne Blinzel-Blicke
Entführte Aphrodite sich das Kind;
Als ob zur Göttin jeder Wipfel nicke,
Geschah im Hag Geregtheit, wie bei Wind.
Das Mädchen horchte trautem Spechtgeticke,
Dann Tönen, die als Glück verlautet sind;
Es sprang zum Knaben, einsam vor der Grotte:
Die Göttin lachte, schwand dann - Pan zum Spotte.

Es hatte Ikaros, ein Herr auf Bergen,
Das zarte Spiel auf der Schalmei gehört,
Er dachte nun, er käme fremd zu Zwergen,
Doch merkt' er - Kinder hat sein Schritt gestört.
Das Pärchen wollte sich im Busch verbergen,
Doch sprach der Wandrer klug und unbetört:
Ich will euch wohl, wo sind die guten Eltern?
Man sagte, daß sie Wein in Fässern keltern.

Dann führten Ikaros, verschmitzt, die Kinder
Durch kleine Weinberge zum Vaterhaus.
Vom Gott im Rausch, der Trauer Überwinder,
Den rätselhaften Blitz im Blutgebraus
Erfuhr er gar bedacht zu Tal; geschwinder
Vom Tanz darauf, bei Zechgelag und Schmaus.
Ein Bauer schenkte auch dem König Reben,
Um seine Heimat freundlich zu beleben.

Es trauten nicht des Berges karge Geister
Dem jüngsten Gott, auf Ikaros' Gebiet.
Den Weinstock hegt er drin, in eingekreister
Verborgenheit, wie ihm die Tochter riet.
Als Erigone hat ein weitgereister
Erkenner, was im Götterreich geschieht,
Sie einst erkannt und so benannt dem Vater,
Denn fromm um Auskunft forschte, bat er.

Mit großem Goldgelock, in klarerglänzter
Aprilnacht, gab sich Dionysos oft kund.
Er stand vor seiner Maid im Sternenfenster,
Rief Erigone auf zu trautem Bund.
Im Sommer kamen Berggespenster,
Doch scheuchte Sirios sie hinweg, sein Hund.
Das Kind berankte sich mit Gottesflechten,
Umsternte uns den Leib, in goldnen Nächten.

So folge mir in Pans geweihte Grotte!
Lud Dionysos sich Erigone ein;
Da thronte schon der Gott mit loser Rotte,
Den Sprunggespielinnen, auf hohem Stein.
Auf Krokos, Hyakínthos, Bergamotte
Verstummte Syrinx, bleich im Seelenschein.
Es krönte Pitys Pan mit frischen Fichten,
Und Echo konnte Zank der Nymphen schlichten.

Ein Schleier, wie aus dünnen Mondesfäden,
War um den Gott des süßen Klanges Licht.
Dem Tanze nachgebildet schien das Reden,
Denn rhythmisch wogte es, fast klar der Sicht.
Sind Unterredungen geheime Fehden,
Die holder Takt, sie meisternd, schmiegt und bricht?
Es schwenkte Dionysos den Schaum im Becher
Und leuchtete, als eines Chores Sprecher.

Er läßt, zu Pans Genuß, sich Aphrodite,
Als altes Weib, in Lumpen Phaon nahn:
Sie wird erkennbar und verhöhnt - nun biete
Dem Schiffer sie Verjüngung für den Kahn!
Seht, er entrückt sie Spöttern, ohne Miete.
- Sei drum mit Glanz der Schönheit angetan!
Hier endigt an der Göttin Gottes-Rache:
Der Vorhang stürzt mit klassischem Gekrache.

Paniskinnen hatte der Reiz des Knaben,
Durch Aphroditens Wink, so rasch erfaßt,
Daß sie ihn brünstig aufgefordert haben,
In Wut geliebt zu sein oder gehaßt;
Doch Phaons Lippen konnten keine laben,
Das Blut war kalt, der Phallus blieb in Rast:
Da lachte Dionysos - mit Erigone
Entmondete sein Wunsch in eigne Zone.

Er hielt sein Mädchen sorgenlos umfangen,
Der stille Sirios hielt die Sternenwacht.
Auch Aphroditen freute das Verlangen,
Das immer blühender im Paar erwacht.
Sie hockte, als sich Sperlinge besprangen,
Auf ihrer Schildkröte, für lange Nacht.
Die Sonne kam, nicht Wollüste zu kürzen,
Viel später schon - mit jüngster Wünsche Würzen.

Im Arme Dionysos' schlief Erigone
So wonnig manches ungestörte Mal,
Und Aphrodites holde Anemone
Gedieh in stolzer Sorgfalt Rebental.
Die Trauben reiften schon zum Gotteslohne
Für Weibesliebe, blau dem Sonnenstrahl;
Den Überfluß gab Weinlese und Ernte,
Daß Ikaros mit Schläuchen sich entfernte.

Er ging zu Hirten zwischen kargen Triften,
Lud Bauern zu geheimnisvollem Schmaus,
Versuchte, sie zu Räuschen anzustiften,
Gewahrte bald der Trunkenheit Erbraus.
Doch ein Gerücht von eingeschluckten Giften
Brach plötzlich unter Zechern aus:
Es stürzten Torkelnde sich auf den Spender,
Erschlugen ihn und fluchten: nun verend er!

Schon sollte Dionysos vom Mädchen scheiden,
Ihn zogs, mit tiefem Blick, in Kores Reich.
Wie machte ihn der Ruf, die Braut zu meiden,
Bei frommem Abschied nach Eleusis, bleich!
Sie gingen in den Weinberg, unter Weiden
Entschwand er rasch: o sie verstand es gleich!
Und trauerte zu Haus. -Wo blieb der Vater?
Er kehrte lang nicht heim; wo blieb, was tat er?

Bald wähnte Wehmut sie im Sternenauge
Und Ängstlichkeit in Sirios' Lauf.
Es war, als ob er an den Händen sauge,
Betaute lange beide mit Getrauf;
Auch blickt' er kühn, als rühmt er sich: ich tauge
Zu Spürerschaft, den Herren wühl ich auf.
Da nahm ihn Erigone mit in Wildnis
Und suchte nach Gestalt, um Traum und Bildnis.

Auf einmal, ach, es war nach langem Wandern,
Umsträubte Sirios sein gemähntes Haar;
Verlassen unter alten Oleandern
Lag Ikaros, erschlagen von der Schar
Der eignen Hörigen und wohl auch andern
Geladenen zu Trank vom reichen Jahr,
Das Dionysos dem Gau gespendet hatte,
Damit, wer Mühsal trug, nicht trüb ermatte!

Der Wind war mild; wie eine Hand in Seide
Liebkoste er noch Erigones Haut,
Die sich zu Vaters Ruh, auf bleicher Weide,
Erhenkt hatte und hinblich ohne Laut.
Auch Sirios weilte dort in starrem Leide,
Verkam bei Dionysos' entseelter Braut.
Den Gott durchfuhr, in Plutos Reich, der Schrecken:
Er ließ die Albernen in Raserei verrecken.


  Theodor Däubler . 1876 - 1934






Gedicht: DAS Meer umbraust den Felsen, wo ich raste

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