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Karl Stamm
Der
Aufbruch des Herzens . 1. Auflage 1919
Spital
Für Eduard Gubler.
Hier wird gestorben. Stumm halten diese Wände letztes Geschehn.
Wir liegen still in unsern fiebermüden Betten.
Und ist ein jedes Bett ein tief verschneiter Garten.
Wir Herbst-Zeitlosen frieren drin und warten ...
Vielleicht winkt doch ein gütig Auferstehn.
Vielleicht ... Wie manchmal rollt im Hofe schon
der schwarze Wagen vor. Wir kennen seinen Ton.
Der Arzt ist fort. Wir sind so grenzenlos mit uns allein.
Durchs offne Fenster bricht ein heller Jubel ein....
Indes die Erde ungehemmt um unsere Körper steigt
und näher wogt und immer dunkler sich verschweigt:
O Menschenblumen sprießen auf von Stein und harten Straßen.
Sie wurzeln leis sich los, sie wandeln hin und schreiten -
Wir stürzen ganz zurück in unsere Einsamkeiten.
Und eine Hand will blühn, ein Auge sich entsternen,
wir flüchten uns vor euch in unsere nahen Fernen,
alles ist Flucht in uns auf schmalem Gleise,
und immer schneller schlingt die Zeit die engen Kreise,
wir jagen hundertmal dieselbe Strecke,
daß diese namenlose Not doch einen Ausgang sich entdecke
Doch ärmer pocht die Brust, Beklemmung hemmt....
Nun sind wir bald vom Acker eingedämmt,
nun sind wir bald ein einziger, weißer Garten.
Wir Herbst-Zeitlosen frieren drin und warten
Ein Weinen regnet leis den Abend ein: Wir dunkeln schwer.
Die Schwestern singen: "Schön ist die Jugendzeit, sie kommt nicht
mehr."
Karl
Stamm . 1890 - 1919
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