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Karl Stamm
Der
Aufbruch des Herzens . 1. Auflage 1919
Und als die Fieber meinen Körper aufgetrunken,
da bin ich ganz zu tiefst in mir versunken,
verdämmerte, zerfiel, gebar mich um.
Der Leib, der sich in Wahnsinnsmelodien
aus Tüchern fortgeschleudert und zerschrien
ermattete und lag unheimlich stumm.
Im Eis des eignen Herzens eingefroren
hab ich gebeugt, zermartert mich verloren,
bis Es sich hob am allerletzten Rand ...
Frühwind der Kindheit ... Näher, Küste, Land,
mich dunkler schweigend, hielt im Nahen inne,
und wartete, daß ich es ganz gewinne,
o mir verwandt: ich kam mir selbst entgegen
auf körperlosen Bahnen, kam und kam,
ich durfte mich ihm still zur Seite legen,
an leises Licht, erglomm und nahm und nahm.
So durch den Schmerz zu mir zurückgedichtet
hat Seele sich aus Dumpfheit aufgelichtet
und lag in blütenüberschneiten Linnen,
ich hörte nie geahnte Ströme rinnen.
Und als der Blick sich aufschlug, überbordend:
o neue Welt, die groß um mich geworden!
Ich schloß die Wimpern, konnte nicht mehr nehmen.
Und immer diese weißen Chrysanthemen
mir still zu Häupten. Eine ferne Stimme
aus fremdem Saal! Ich schwinge zitternd mit,
daß ihr Gesang die Erde überklimme.
Das ganze Zimmer tönt ein gläubiges Lied.
Und Mensch und Licht und Blume sich erkannten.
Die Gottbeseelten mild mich Abend nannten.
Karl
Stamm . 1890 - 1919
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