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Karl Stamm
Der
Aufbruch des Herzens . 1. Auflage 1919
III
Wär's nicht das Kreuz, so wär's ein Witz. Doch ist
die Ehrfurcht tief mir eingebrannt seit Kindertagen.
Vielleicht ist's auch die Scheu vor dir,
den niemals ich verstand. Auch heute bist du mir
so fern als je. Doch laß mein Haupt
an deine Füße lehnen. Hier ist Ruh
Alles, was Bett heißt, schenkt uns milde Ruh.
Du seiest Gottes Sohn! Ich lernte, daß du
dein Blut gegeben für die Menschen. Also lehrtest
du mich beten: Gib uns heute unser täglich Brot ...
Deinen Leib aß ich beim Abendmahl, ich trank dein Blut.
Und ist in meinen Adern doch so viel Menschlichkeit geblieben
und so viel Unerlöstes, daß ich immer noch beten muß:
Erlöse mich von dem Bösen. Und vergib mir meine Schulden....
Heißt das, daß ich ein wenig Glück begehrte?
Oder daß ich mich für meines Herren Wohlbefinden
zu wenig ins Zeug gelegt?
Und daß ich murrte, weil ich immer unten war?
Oder weil ich das Leben für einen Irrtum hielt?
Wenn ich die Welt erfaßte, sag, was blieb in meiner Hand?
Da ich im Kusse schwinden wollte - o ihr tausend Küsse,
lieblicher Betrug! Und doch: Betrug!
In Wahrheit hatt ich nichts zu tun mit allen Dingen.
Versuchte mich. Ich atmete den Rauch der großen Worte:
Vaterland und Freiheit. Und vom Sinn des Opfers
Das Leben als der Güter höchstes....
Das Leben ist das Kapital. Das Sterben ist der Zins.
Mich dünkt, mein ganzes Leben war ein Sterben.
Viel Zins, fürwahr! Für wen? Ich weiß es nicht.
Ich habe nie tief gedacht.
Doch du hast dich geopfert, die Menschen zu erlösen.
Erlöse uns vom Drange der Erlösung!
Wie bleibst du stumm! Du hältst zu sehr an dich
Du bist entflohn und bist doch da!
O eine harte Heimat sind deine Füße.
Karl
Stamm . 1890 - 1919
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