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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus dem Tornister
162 Bücher



Karl Stamm
Aus dem Tornister . 1. Auflage 1915



Auf einem Marsche

Mit Sack und Pack das Regiment
schon stundenlang in finstrer Nacht
und keiner Ziel und Wege kennt.
Wir schreiten stumm in Schritt und Tritt
und Schlaf und Träume wandern mit.
Im Schlummer ruft manchmal ein Mann.
Da löst das Dunkel seinen Bann,
Die Dämmrung will sich klären,
Die Nacht den Tag gebären.

Und wie der Tag geboren ist
kein einziger sich mehr vermisst
zu träumen und zu schlafen.
Es lacht der Sonne liebes Licht
aus jedem jungen Angesicht.
Dort geht ein Pflug im brachen Feld,
ein Bauer seinen Grund bestellt,
von einem Hofe Hahnenschrei
Arbeiter gehn an uns vorbei,
ihr täglich Brot zu schaffen.

Da regt sich Trommel und Musik,
ein Leuchten wohnt in jedem Blick,
wir schreiten durch ein Tor hinein,
das Städtlein liegt im Sonnenschein,
Gewehrwald wogt, Gewehrwald blitzt,
vor einem Haus ein Lahmer sitzt,
die Mädchen öffnen Tor und Tür,
manch lieb Gesichtlein schaut herfür.
Jetzt klingt ein Lied, gar frisch und fromm:
"Wenn i komm', wenn i komm, wenn i wiederum komm..."
Verschwunden ist das Städtchen.

Und weiter, weiter, immerfort!
Es drückt der Sack den Rücken wund,
es fällt das erste bittre Wort.
Niemand hebt's auf. Es geht zu Grund.
Wie sehr uns Staub und Hitze quält,
es ist die Pflicht, die uns beseelt!
Lauf zu, du wunder Fuss, lauf zu!
Noch ist nicht Zeit zu Rast und Ruh,
Das Ziel, es ist noch ferne,
noch scheinen nicht die Sterne.

Und wie die Not am grössten ist,
manch einer sich im Zorn vergisst,
tät grimmig fluchen und schimpfen:
Da ragt vor uns die Alpenwelt
von Gott dem Herren hingestellt.
Da wird ein jeder still und klein
und schaut und schaut der Firne Schein.
Es ist der letzte schlichte Mann
dem grossen Schweigen untertan.
Wie leuchten jetzt die Berge!

Und immer weiter, stundenlang!
Was schiert uns Sack und das Gewehr!
Hell aus den Reihen steigt Gesang.
Aus tiefstem Herzen kommt er her.
Und Lieder grüssen jedes Tal
durchwirkt von Jubelübermut,
bald hallt es dumpf wie ein Choral.
Und vorwärts hastet jeder Fuss.
Ein letzter Glanz, ein letzter Gruss
von unsern ewigen Bergen.


  Karl Stamm . 1890 - 1919






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