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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Alles ist eitel
"Und er hatte siebenhundert Weiber zu
Frauen und dreihundert Kebsweiber; und
seine Weiber neigten sein Herz."
1.Könige
11,4.
Wer niemals Grenzen kannte im Genuß,
Nie einen Wunsch sich brauchte zu versagen,
Dem wächst aus aller Freuden Ueberfluß
Einst sicher aller Freuden Ueberdruß,
Und lusterschöpft in seinen alten Tagen,
Wenn ausgebrannt das Herz und kahl der Scheitel,
Wird er in lebensmüder Weisheit klagen:
Alles
ist eitel!
O glaubt an diese mürbe Weisheit nicht!
Sie macht die Jugend für das Alter büßen!
Sie geht, weil die Genußkraft ihr gebricht,
Für eig'ne Schuld mit Andern in's Gericht
Und tritt das Heiligste der Welt mit Füßen.
Mag sich das hohle Herz, der kahle Scheitel
Die späte Reue durch den Spruch versüßen:
Alles
ist eitel!
Doch Nichts ist eitel dem, der im Genuß
Schon früh gelernt vor Thorheit sich zu schützen.
Schmäht man die Blume, weil sie welken muß?
Das wahre Glück kennt keinen Ueberdruß.
Genießt! Doch sucht das Glück nicht in den Pfützen
Der Leidenschaft, verwüstend Herz und Scheitel,
Nur dann mag Salomonis Spruch Euch nützen:
Alles
ist eitel!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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