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Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Bei der Kunde vom Tode des Kaisers Nicolaus

Aus Norden schallt die Trauerkunde:
Todt ist der mächtige Russenzar,
Der Herrscher, der im Erdenrunde
Gefürchtet wie kein Andrer war -
Vom Deutschen Meer bis China's Mauer
Allmächtig wie ein Gott gebot -
Nun geht sein Volk um ihn in Trauer,
Der mächtige Cäsar ist todt!

Noch stehn in Waffen und in Wehre
Die Völker! schon fiel mancher Held,
Der Krieg verschlang schon ganze Heere -
Ob Allen sah man in der Welt
Nicht solche Trauer sich erheben,
Als jetzt, da dieser Eine fiel -
So wenig zählen viele Leben
Und zählt ein einzig Leben viel.

Bang sah'n die Völker in der Runde
Auf ihn, als hing' das Weltgeschick
An einem Wort aus seinem Munde,
An seines Auges Herrscherblick. -
Das Schicksalswort blieb ungesprochen,
Geschlossen ist die Lippe nun,
Das stolze Auge ist gebrochen,
Sich nimmer wieder aufzuthun.

Ein ries'ger Geist in ries'ger Hülle,
Kein Feldherr - Redner - doch ein Mann
In aller Kraft und Schönheit Fülle,
Wie selten sie ein Fürst gewann -
So ragt er hoch vor allem Volke
Voll Majestät in Huld und Zorn,
Sein Zürnen: eine Wetterwolke,
Und seine Huld: ein Segensborn.

Vom ersten Tag, da ihn die Krone
Mit kaiserlichem Glanz umgab,
Bis er von seinem goldnen Throne
Hinunterstieg in's feuchte Grab:
Stand er vereinsamt im Jahrhundert,
Von unbeugsamem Geist belebt,
Geliebt, gehaßt, geschmäht, bewundert,
Wie Jeder, der nach Großem strebt.

So mächt'ge, große Reiche waren
Geknüpft an seinen Herrscherring,
Daß selbst das Weltreich der Tataren
In diesen Reichen unterging. -
Ein Wort von ihm und Völkerheere
Durchzogen Berg und Steppenland
Vom Schwarzen bis zum Weißen Meere,
Vom Kyros bis zum Donaustrand.

Da sich die halbe Welt ihm beugte,
Von seinem mächt'gen Herrscherthum
Und seiner Größe Alles zeugte,
Fand ich kein Wort zu seinem Ruhm.
Verächtlich ist mir von den Spöttern
Der Spott auf Großes in der Welt,
Doch auch verächtlich zu vergöttern
Im Leben, was dem Tod verfällt.

Der Tod erst giebt dem Leben Wahrheit,
Zeigt uns den Menschen, wie er war;
Das Räthselhafte wird zur Klarheit
Und das Verborg'ne offenbar.
So mancher schon ist klein gestorben,
Der seine Laufbahn groß begann -
Er hat ein bess'res Theil erworben:
Er starb, wie er gelebt: ein Mann!

Drum will ich jetzt dem Drang nicht wehren,
Der mahnend meine Brust durchzieht,
Den großen Todten will ich ehren,
Ihn ehren durch ein ehrlich Lied,
Das rühmlicher als was zum Ruhme
Des Lebenden im Lied erscholl,
Als duftende Gesangesblume
Auf seinem Grabe blühen soll!


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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