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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Der Wald
Dunkler Wald, warum
Stehst so sinnend da,
Deine Stirn umwölkt
Vor Bekümmerniß?
Wie Bowá, der Held,
Der bezauberte,
Unbedeckten Haupts
Stand im Kampfgetös:
Stehst Du da gebeugt,
Und doch kämpfst Du nicht
Mit dem Sturmgewölk
Das vorüberzieht?
Deinen grünen Helm,
Deinen Blätterschmuck,
Riß der Sturm Dir ab,
Warf ihn in den Staub.
Warf zu Füßen Dir
Deinen Mantel auch, -
Und Du stehst gebeugt,
Aber kämpfest nicht.
Armer Wald, wo blieb
Dein so trutzig Wort,
Deine stolze Kraft
Und Dein Herrschermuth?
Ach, vor Zeiten wohl,
In der stillen Nacht
Sang die Nachtigall
Hier ihr klagend Lied!
Ach, vor Zeiten wohl,
Als Du blühend stand'st,
Suchten Freund und Feind
Schutz und Schatten hier!
Ach, vor Zeiten wohl,
Hier am Abend spät
Hielt'st Du mit dem Sturm
Grimmes Zwiegespräch!
Er entfaltet sein
Schwarz Gewölk zum Kampf,
Läßt den kalten Wind
Heulend auf Dich los.
Und Du rufst ihm zu,
Rauschend schallt Dein Wort:
"Kehre um, kehr' um,
Heule anderswo!"
Und er gellt und heult,
Dreht im Wirbel sich -
Deine Brust erbebt,
Kühl durchschauert's Dich.
Doch Du raffst Dich auf
In gewalt'ger Wuth -
Ringsum schaurig schallt's,
Schaurig wiederhallt's.
Und die Windsbraut fährt
Wie die Waldmaid auf,
Und trägt ihr Gewölk
Weithin über's Meer.
Ach, wo blieb, wo blieb
Deine grüne Pracht?
Trauernd stehst Du jetzt,
Ganz in Schwarz gehüllt,
Stumm und menschenscheu.
Nur wenn Stürme nahn,
Ringt ein Klaggestöhn
Aus der Brust sich los.
So, Du dunkler Wald,
Tapfrer Held Bowá!
Rieb Dein Leben sich
Ganz im Kampfe auf.
Da das Sturmgewölk
Dich nicht bändigte,
Unterlagst zuletzt
Du dem schwarzen Herbst.
Mächte feindlich wild
Stürzten los auf Dich,
Da Du wehrlos stand'st
In der Zeit des Schlafs.
Von dem Herrscherrumpf
Trennten sie das Haupt -
Keines Sturms bedurft's,
Einem Hauche wich's.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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