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Gedichte, Lyrik, Poesie

Aus der Heimat und Fremde
162 Bücher



Friedrich von Bodenstedt
Aus der Heimat und Fremde . 1856/1859



Hildegard

In drei Abenteuern.

Erstes Abenteuer.

    Der König Karl zum letzten Mal
Hält Heerfahrt gegen die Heiden;
Schön Hildegard, sein Ehgemahl,
Weint bitterlich beim Scheiden.
        Noch in der Sonne ferne
        Hell blitzen Helm und Wehr;
        So gerne, ach so gerne
        Zöge sie mit dem Heer!

    Schon manches lange Jahr entfloh
Seit König Karl geschieden;
Schön Hildegard wird nimmer froh,
Sie hat nicht Ruh noch Frieden.
        Stets wachsen ihre Sorgen,
        In Thränen und Gebet
        Trifft sie der frühe Morgen,
        Trifft sie der Abend spät.

    Des Königs Bruder, Taland, sprach:
Laßt Euer Weh und Weinen!
Wenn König Karl die Treue brach,
Mögt Ihr mit mir Euch einen!
        Er sann in argem Sinne,
        Er sann wohl her und hin,
        Daß er das Herz gewinne
        Der schönen Königin,

    Doch zürnend schlug schön Hildegard
Die blauen Augen nieder:
Der König, der mein Gatte ward,
Kehrt er auch nimmer wieder:
        Ich bleibe sein in Treuen,
        Rein, wie er mich gewann;
        Nie soll mich Minne freuen
        Von einem andern Mann!

    Doch immer mehr mit argem Sinn
Des Königs Bruder täglich
Verfolgt die schöne Königin,
Ihr Jammer war unsäglich.
        Wie soll sie ihm entgehen,
        So hülflos und allein
        Dem Starken widerstehen?
        Sie weiß nicht aus noch ein.

    Sie sinnt auf List, aus dem Bereich
Des Bösen zu gelangen,
Denn fromm war sie, den Tauben gleich,
Und klug gleichwie die Schlangen.
        "Laßt mich noch sieben Tage
        Mit meinem Schmerz allein,
        Dann ohne Weh und Klage
        Will ich die Eure sein!"

    Herr Taland hört mit frohem Sinn
Der Königin Begehren;
"Wie schnell sind sieben Tage hin,
Gern will ich's Euch gewähren!
        Doch wenn die Frist entschwunden,
        Seid Ihr der Pflicht als Weib
        Des Königs Karl entbunden,
        Seid mein mit Seel' und Leib!"

    Nun ließ im Thurm schön Hildegard
Ein fest Gemach bereiten,
Vermauert und verschlossen ward
Der Ausgang aller Seiten.
        Nur unterirdisch wand sich
        Ein Gang die Mauer durch,
        Des Ganges Oeffnung fand sich
        Tief in der Königsburg.

    Die Frist entschwand - Herr Taland naht,
Die Zeit währt ihm schon lange.
Schön Hildegard gar freundlich that,
Führt ihn zum dunklen Gange:
        Die Stätte ist bereitet
        Im sichern Thurmgemach!
        Herr Taland fürbaß schreitet,
        Die Königin folgt nach.

    Was schleichen wir so heimlich hin
Den dunklen Gang wie Diebe?
Herr Taland frägt's, die Königin
Spricht: Vorsicht braucht die Liebe,
        Daß Niemand uns erspähe,
        Der Kuß und Flüstern hört,
        Kein Lauscher in der Nähe,
        Der uns're Minne stört.

    Schon haben sie den Thurm erreicht,
Bald sind sie nun zur Stelle,
Taland in Sprüngen aufwärts steigt,
Er überspringt die Schwelle,
        Des süßen Glückes harrend
        Der minniglichen Ruh;
        Da - hinter ihm laut knarrend
        Schließt sich die Thüre zu.

    So ward der Thurm durch Hildegard
Herrn Taland zum Gefängniß;
Er fand, wo er des Glücks geharrt,
Jetzt Unglück und Bedrängniß.
        Zu fliehen war unmöglich,
        Forscht er auch her und hin;
        Deß wundert er sich höchlich,
        Unmuthig ward sein Sinn!


Zweites Abenteuer.

    Zurück von seiner Heerfahrt kam
Der König Karl aus Sachsen.
Herr Taland war gebeugt vom Gram,
Lang war sein Haar gewachsen,
        Da fleht er um Erbarmen
        Und Mitleid in der Noth:
        Uebt Gnade an mir Armen,
        Sonst trifft mich Schmach und Tod!

    Sprach Hildegard: Wohlan, es sei
Genug der langen Leiden;
Die Zeit der Trübsal ist vorbei,
Mög' er in Frieden scheiden!
        Laßt ihn vom Thurme nieder,
        Gebrochen ist sein Trutz;
        Mein König Karl kehrt wieder,
        Da hab' ich guten Schutz!

    Fern blitzten Helme, Schild und Wehr,
Rings klang es jubeltönig -
So zog der Heerbann stolz einher,
Voran ritt Karl der König.
        Die Heiden sind bestritten,
        Schwer ist der Sieg erkauft;
        Wer nicht den Tod erlitten,
        Der ward als Christ getauft.

    Im Beutezug gefahren ward
Manch reichgelad'nes Fuder.
"Nun grüß' Euch Gott, Frau Hildegard
Und grüß' Euch Gott, Herr Bruder!"
        Der König stieg vom Pferde,
        Doch staunend stand er da,
        Als er mit Gramgeberde
        Herrn Taland vor sich sah.

    "Was schleicht Ihr so gebückt einher?
So welk sind Eure Wangen,
Das Haar so lang, der Blick so schwer,
Wie ist es Euch ergangen?"
        So trat mit schnellen Fragen
        Karl seinen Bruder an,
        Der sprach: ich will Euch sagen,
        Wie ich mein Leid gewann!

    Frau Hildegard, die Königin,
Begann um mich zu minnen,
Ich widerstand mit starkem Sinn
Dem frevelnden Beginnen;

        Doch ohne Ehr' und Treue,
        In buhlerischer Kunst,
        Mit jedem Tag auf's Neue
        Warb sie um meine Gunst!

    Ich sprach, kommt König Karl nach Haus,
Wird er die Untreu ahnden!
Da sandte Hildgard Mannen aus,
Ließ heimlich nach mir fahnden;
Durch Zwang ward ich gebunden,
Gesperrt in's Thurmgemach,
Bis alle Kraft entschwunden,
Drum seht Ihr mich so schwach!

    Daß König Karl die Kunde ward,
War Hildegard's Verderben:
"Führt sie aus meiner Gegenwart,
Im Wasser soll sie sterben!"
        Rief er in lautem Grimme,
        Und stieß sie von sich fort,
        Hört nicht auf ihre Stimme,
        Merkt nicht ihr klagend Wort.

    Nun ward in tiefster Wasserflut
Schön Hildegard gebettet;
Doch Gott nahm sie in seine Hut,
Durch ihn ward sie gerettet:
        In Mitleid und Erbarmen
        Ein Ritter treu und gut
        Trug sie mit starken Armen
        Wohl aus der kühlen Flut.

    Es war der treue Rittersmann
Von Freudenberg geheißen;
Er bot ihr Schutz und Obdach an,
Der Noth sie zu entreißen.
        Sie flieht in fremde Lande,
        Läßt Alles, was sie hat;
        Pilgert im Bußgewande
        Nach Rom, der heiligen Stadt.

    Gott tröstet sie in ihrem Leid,
Verleiht ihr Muth und Stärke;
In Demuth und in Frömmigkeit
Uebt sie barmherz'ge Werke.
        Die Kranken pflegt und heilt sie,
        Hilft Armen in der Noth,
        Mit Hungrigen gern theilt sie
        Ihr letztes Stückchen Brot.

    Gott gab ihr, daß sie Wunder that
Durch ihre Kunst zu heilen,
Weither um Hülfe und um Rath
Viel Kranke zu ihr eilen.
        Und die voll Glauben kamen,
        Wurden Alle gesund;
        Den Blinden wie den Lahmen
        Ward Hildgards Hülfe kund.

    Der Himmel übt Gerechtigkeit,
Die Unschuld fand Belohnung;
Doch Taland's Trug und Schlechtigkeit
Folgt Strafe sonder Schonung:
        Blind wurden seine Augen,
        Aussätzig Arm und Bein;
        Nichts will zur Heilung taugen,
        Er leidet schlimme Pein!

    Zur Plage wird ihm jeder Tag,
Nichts kann ihm Ruhe geben;
Die Sünde nagt sein Herz, er mag
Nicht sterben und nicht leben!
        Er fühlte bitt're Reue
        Ob seiner bösen Schuld;
        Da stärkt ihn Gott auf's Neue
        In Hoffnung und Geduld.

    Als er einst betend lag im Dom,
Zerknirscht im Herzensgrunde,
Von einer heil'gen Frau in Rom
Gab ihm ein Pilger Kunde,
        Die Blinde heilt und Lahme
        Und Jedem Lind'rung schafft
        Durch ihre wundersame
        Geheimnißvolle Kraft.


Drittes Abenteuer.

    Als König Karl den Zug begann
Nach Rom, zum heil'gen Vater,
Trat bittend ihn Herr Taland an,
Ihn mitzunehmen bat er:
        Aus frommem Pilgers Munde
        Wohl bei'm Gebet im Dom,
        Ward mir die frohe Kunde
        Der Wunderfrau zu Rom!

    "Nun möge sie - der König sprach -
Euch Heilung schnell bereiten!
Mir folgen viele Mannen nach,
Auch Ihr könnt mit uns reiten!"
        So zogen sie von dannen
        Mit großer Herrlichkeit,
        Der König und die Mannen,
        Herr Taland im Geleit.

    Der Blinde kam nach Rom gewallt,
Die Wunderfrau zu finden;
Frau Hildegard erkannte bald
Herrn Taland in dem Blinden.
        Sie denkt vergang'ner Tage,
        An altes Leid und Glück;
        Doch Taland's Weh und Plage
        Drängt allen Groll zurück.

    Sie sprach zu ihm in Trost und Huld:
Euch drückt der Fluch des Bösen!
Erst beichtet reuig Eure Schuld,
Dann will ich Euch erlösen!
        Vor Gott kniet betend nieder,
        Macht Euch von Sünden rein,
        Dann sollt Ihr sehend wieder
        Frei aller Schmerzen sein!

    Herr Taland folgt der Frau Geheiß,
Zerknirscht von Schuld und Reue;
Er beichtet Alles, was er weiß,
In demuthvoller Treue.
        Und als der Priester sagte:
        Dir soll vergeben sein!
        Da war es ihm als tagte
        Vor ihm ein ros'ger Schein.

    Von seinem blinden Angesicht
Fällt es wie Schuppen nieder;
Ein neues, frisches Leben bricht
Durch alle seine Glieder;
        Verschwunden ist die Wolke,
        Die seinen Blick umhüllt -
        So ward vor allem Volke
        Frau Hildgard's Wort erfüllt!

    Der König hört mit frohem Sinn
Vom Wunder das geschehen:
"Nun führt mich zu der Heilfrau hin,
Ich muß sie selber sehen;
        Die meinen Bruder heilte,
        Sei königlich belohnt."
        Der König sprach's und eilte
        Zum Haus wo Hildgard wohnt.

    Bei ihrem Anblick Karl erschreckt,
Wie man ihn nie gesehen:
"Seid Ihr vom Tode auferweckt?
Was ist mit Euch geschehen?"
        Nun ward aus Hildgard's Munde
        Von Allem was geschah,
        Dem König treue Kunde -
        Und staunend stand er da:

    "Verzeiht mir Hildgard lieb und traut,
Daß Gott sich mein erbarme!"
Frau Hildgard weint vor Freude laut, -
Und sank in seine Arme.
        Groß war des Königs Reue,
        Doch größer war sein Glück -
        Nun führt er sie auf's Neue
        Als sein Gemahl zurück.

    Doch Taland schwur er schlimmen Tod
Ob seiner falschen Tücke.
Frau Hildgard bat in seiner Noth
Für ihn in ihrem Glücke:
        Die Schuld ließ ihn erblinden,
        Die Reue schuf ihm Pein,
        Gott ließ ihn Gnade finden,
        Mögt Ihr ihm auch verzeih'n!

    Und Karl verzieh. In ihrem Glück
Die Zwei gen Deutschland reiten;
Herr Taland blieb in Rom zurück,
Verbannt für alle Zeiten.
        In hohem Glück auf's Neue
        Lebt' Karl mit Hildegard,
        An deren Zucht und Treue
        Nimmer gezweifelt ward.


  Friedrich von Bodenstedt . 1819 - 1892






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