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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
Im Frühling
Nun keimt und blüht es allerwärts,
Die Drossel singt im Waldesgrün,
Mir ist, als fühlt' ich auch mein Herz
Neu mit des Lenzes Blumen blühn.
Die ganze Welt erneut sich
Und jedes Würmchen freut sich,
Wie Alles duftet, treibt und ringt
In wonnevollem Werden -
Was auch das Leben Trübes bringt:
Es ist doch schön auf Erden!
Dort sinnend wandelt eine Frau,
Schon furcht sich alternd ihr Gesicht;
Das schwarze Haar wird silbergrau -
Sie denkt der Jugendzeit und spricht:
Die Vöglein zwitschern wieder
Die alten Frühlingslieder,
Sie kennen nicht Veränderung
In Antlitz und Geberden -
Doch, bleibt man auch nicht immer jung:
Es ist doch schön auf Erden!
Es fiel vom Baum ein welkes Blatt,
Ein Greis schloß seine Augen zu,
Ein Trauerzug wallt aus der Stadt,
Man trägt den Leib zur ew'gen Ruh;
Der Geist, auf lichtern Bahnen
Sieht schon, was wir nur ahnen -
Er geht zu neuem Frühling ein,
Frei aller Noth zu werden.
Wohl wird's im Himmel schöner sein,
Doch schön ist's auch auf Erden.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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