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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
In das Tagebuch der reg. Fürstin Mathilde von Schwarzburg-Sondershausen
Wer kam nie mit sich selber in Zerwürfniß?
Wer fühlte nie nach Rath und Trost Bedürfniß?
Und wer hat stets in solchen trüben Stunden
Den rechten Rath, den rechten Trost gefunden?
Wohl gerne freut man sich mit uns gemeinsam,
Doch in der Noth und Trübsal sind wir einsam.
Drum wehe Dem, der nicht gelernt allein
Mit sich und seiner innern Welt zu sein!
Denn wer nicht weiß sich selber zu genügen,
Das Glück nur sucht in rauschendem Vergnügen:
Dem wird Gemüth und Herz so öd' und leer,
Und Noth und Trübsal brückt ihn doppelt schwer.
Das rechte Glück kennt keinen Ueberdruß,
Und dauernd bleibt im Wechsel sein Genuß.
Doch wer im Leben Unglück nie erfahren,
Dem wird sich auch das Glück nie offenbaren,
Denn ohne Tiefen giebt es keine Höh'n,
Und wo nichts häßlich, da ist auch nichts schön.
Dir, Fürstin, hat der Himmel in Dein Leben
Zum Glück und Trost drei Schätze mitgegeben:
Empfänglichkeit für alles Gute, Schöne,
Der Dichtung Wort, das aus Dir jauchzt und klagt,
Und des Gesanges weihevolle Töne,
Um da zu reden, wo das Wort versagt.
Wer so wie Du geprüft schon vom Geschick,
Und ausgeharrt in starkem Gottvertrauen,
Der mag getrost mit hoffnungsklarem Blick
In's eigne Herz und in die Zukunft schauen.
So wird dies Buch, dem Du Dein Fühlen, Denken,
Wie einer lieben Freundin anvertraust,
Ein Spiegel Dir, ein heilig Angedenken,
Ein Monument, das Du Dir selbst erbaust.
Ein Spiegel, der Dir noch in spätster Zeit
Dein treues Bild zeigt der Vergangenheit -
Ein Angedenken, das verklärt erneut,
Was Dich dereinst bewegt, betrübt, erfreut -
Ein Monument, das eigene Gedanken
Wie immergrünes Laubgewind umranken.
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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