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Friedrich von Bodenstedt
Aus
der Heimat und Fremde . 1856/1859
In ein Künstler-Album
Der Geist genügt sich überall,
Wo er in rechter Fülle ist,
Und schafft Genügen überall,
Wo er in rechter Hülle ist;
Der Weg liegt Allen offenbar,
Doch schwer ist's ihn zu wandeln -
Wie alle Weisheit leicht und klar,
Doch schwer, danach zu handeln.
Wo Jeder ist, wie er sich zeigt,
Da lernt man sich bald recht verstehn,
Da wird das Finden lieb und leicht,
Doch schwer - das Auseinandergehn!
Mein langer Freund hier gilt für witzig,
Er schleudert Worte scharf und spitzig,
Doch was er sagt, geht bald verloren,
Weil es im Herzen nicht geboren.
Er beut uns Halme ohne Korn,
Und von der Rose nur den Dorn -
Ihm fehlt die Liebe bei dem Zorn.
Der Welt mehr geben als sie uns giebt,
Die Welt mehr lieben als sie uns liebt,
Nie um den Beifall der Menge werben,
Macht ruhig leben und selig sterben.
Wer nicht den Gott im eignen Busen trägt,
Der wird ihm durch kein äß'res Band verbunden;
Wer nicht die Schönheit in sich selber pflegt,
Der hat sie auch nie außer sich gefunden.
Nur was im Geiste aufgenommen,
Kann wieder aus dem Geiste kommen.
Die Tasche voll Geld
Ist der Mensch ein Held;
Die Tasche leer
Ist er gar nichts mehr:
In den Augen der Welt.
Erkläre Dir Unendliches durch Endliches,
Nicht umgekehrt -
Dir Unverständliches nur durch Verständliches,
Nicht umgekehrt!
Die ächte Scham ist ohne Ueberlegung.
Ihr, die erst klug erwägt und dann erröthet,
In Euch ist längst die ächte Scham getödtet
Und eitel Heuchelei ist Eure Regung.
Der Dinge Wesen ist die Harmonie,
Die Einheit der Verschiedenheit -
In Deinem eignen Herzen suche sie,
Sie macht ein Ende allem Streit!
Such' sie in Dir, doch nicht um abzufallen
Von dem, was außer Dir - denn so
Du uneins bist mit Allem und mit Allen,
Wirst Du auch in Dir selbst nicht froh!
Hast Du in Dir die Harmonie gefunden
In glückbedürft'gem Herzensdrang,
Wirst Du durch sie der ganzen Welt verbunden
In glücklichem Zusammenhang!
Friedrich
von Bodenstedt . 1819 - 1892
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